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Digital In Arbeit

AUFBRUCH IN EIN NEUES ZEITALTER

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Weder Prestige noch Großmannssucht sollten uns leiten, in Messendorf dieses neue Druckzentrum zu errichten; vielmehr standen nüchterne Überlegungen in der Mitte der achtziger Jahre am Anfang:

□ Eingezwängt in das enge Geviert der das Stammhaus umgebenden Wohnhäuser in der Grazer Schönaugasse, war schon längst die Raumnot eklatant geworden. Durch Jahrzehnte hindurch mußte erfindungsreich, ja auch listenreich im traditionsreichen Haus der Gang der Zeit, das Wachstum der „Styria" räumlich eingebracht werden. Nach fast neun Jahrzehnten war der letzte Quadratmeter ausgeschöpft.

□ Die rasante technische Entwicklung durch Elektronik, Digitalisierung, in der Telekommunikation, in Reproduktions- und Drucktechnik verlangte nach der Vernünftigkeit, sich für die höchsterreichbare Qualität unserer Print-Produkte zu entscheiden. Wohlerwogen und wohlbemes-sen bedeutet die Annahme des technischen Fortschrittes für ein Unternehmen immer die taugliche, die erfolgsbezogene Anwesenheit in der Zeit. Ein Stillstand dagegen wäre ein Versäumnis zu Lasten der nächsten Generation.

□ Leser und Inserenten erwarten sich im modernen Kommunikationsgeschehen eine immer bessere, aktuellere und auch gefälligere, eine ansprechende Zeitung - ihre Tageszeitung soll sich erneuern, soll atmen und blühen, auch durch die Freundlichkeit der Farben. Das technische „Innenleben" dieses Hauses hält nunmehr für all dieses seine guten, leistungsfähigen und modernsten „Dienstbarkeiten" bereit. Mit einer hochentwickelten Zeitungs-Offsetmaschine, mit der Präzision der Akzidenz-Offsetrolle „Compacta 216" von Koenig & Bauer und dem ausgeklü gelten, feinnervigen Expeditsystem.

Von den ersten Planungen zwischen 1986 und 1987 an, mußten die Entwicklungskriterien auf Qualitätsgewinn und Niveaugewinn ausgerichtet sein. Das Haus in Messendorf ist somit ein „Haus der Technik", tauglich für die Zukunft, gerüstet für den Schritt ins dritte Jahrtausend. Wir wissen, daß es dem Markt und dem Wettbewerb wird standhalten müssen. So haben Verantwortung und Wagnis zu korrelieren.

Konkretisierung einer Idee

Mit diesem Neubau ist ein Zeichen in diesen Grund und Boden gesetzt, das uns Normen vorgibt. Sie lauten: Unter dem publizistisch-verlegerischen Auftrag leistungsorientiert bleiben - im Einklang von wirtschaftlicher Ethik und ökonomischer Ausrichtung den Erfolg wahren und zu mehren - im Geist des Hauses das soziale Miteinander teamorientiert stärken und vertiefen. Das Gemeinschaftserlebnis der Bauzeit, im Baugeschehen, ist nun in den betrieblichen Alltag der Zukunft zu prolongieren.

Das Bauen eines Unternehmenshauses, einer Betriebsstätte, hatte also eine besondere Herausforderung zu sein, die Konkretisierung, die Objek-tierung einer Idee. Mit der Gestalt des Hauses, der Sprache der Architektur war schließlich ein innerer „Vertrag" mit der 123jährigen Tradition, der verlegerischen Kultur und der Dynamik unserer „Styria" zu erfüllen.

Eine „kulturelle Beredsamkeit" des Baukörpers wollte gefunden werden, darüber waren sich Architekten und Auftraggeber rasch einig. Der Qualität des architektonischen Erscheinungsbildes nach außen, sollte im Inneren der Qualität der Arbeitsplätze entsprechen. Messendorf, das Haus der Technik war als ein „Haus der guten Arbeitswelt" zu konstruieren.

Denkmalschutz ist heutzutage meist plausibel und durchaus geläufig. Und das ist auch gut so. Der Schutz menschlicher Ansprüche an die Produktionsstätten mit ihren Arbeitsplätzen aber ist höchste sittliche Pflicht. Aus ihr war die konkrete Baugesinnung zu entwickeln, wie denn der Mensch in seiner Welt des Wirkens, räumlich erlebbar, Freude und Sinn, persön liehe Erfüllung in seinem Arbeiten finden könne. Den Architekten sei Dank, daß sie in einfühlsamer Weise den Prozeß der Ideenfindung zur faszinierenden Anstrengung und Freude zugleich werden ließen.

Der baukulturelle Erweis war zu erbringen, daß Kultur im industriellen Geschehen herstellbar ist. Die Tristesse bloßer Werkshallen war ebenso zu vermeiden wie eine seelenlose Zweckhülle oder Funktionskiste. Und schließlich sollte auch in einer Industriezone eine wohltuende Wirkung auf die Umgebung Akzent und symbolhafter Impuls sein. Was aus der Gegenwartserfahrung projektiert, in Geist und Dialog gedacht war, hatte Realität für die Zukunft zu werden. Es sei dankbar vermerkt, daß es auf allen Ebenen, mit den Architekten, den Baumeistern, den Technikern, den Firmen, immer reizvoll und ergebnishaft war über das Projekt, das ja noch nicht Vorhandene, nachzudenken, zu verhandeln, lustvoll gedanklich zu planen.

Jedes Bauwerkmuß neu geboren werden, tritt dann plötzlich ins Leben und die Freude ist groß, wenn „das Kind" gut geraten ist. Und es ist „Messendorf4 gut geraten, das bestätigen auch vor allem jene Mitarbeiter, die in den neuen Hallen schon tätig sind. Das Bauwerk gibt Atmosphäre und vermittelt Aufbruchsstimmung. Das Raumerlebnis stimuliert positiv und strahlt Vertrauen und Zuversicht aus. „Messendorf' ist also auch ein „Haus aktiver Zukunftsfreude''.

Es sei weder vermessen noch verstiegen, wenn ich in diesem Zusammenhang gestehe, daß ich in den letzten Wochen der etappenweisen Inbetriebnahme des Hauses „Styriastraße 20" immer wieder an einen Satz in Robert Musils „Mann ohne Eigenschaften" denken mußte. Er besagt -nachdenklich stimmend - hier frei wiedergegeben: das noch nicht Verwirklichte zählt zu den eigentlichen Absichten Gottes. Werden wir mit dem nun Geschaffenen, dem Verwirklichten, einer solchen Überlegung gerecht?

Es liegt an uns allen!

Auf dem Grundstein dieses Hauses sind neben dem Datum der Grundsteinlegung, dem Buchdruckergruß „Gott grüß die Kunst" und dem Zeichen des Kreuzes die Worte eingeschrieben, communio et progressio -Gemeinschaft und Fortschritt - diese beiden umschreiben Geist und Zielsetzung des Hauses „Styria", sind verlegerisch-publizistischer wie unternehmerischer Auftrag.

Das Motto unserer 120-Jahrfeier vor drei Jahren „Der Weg ist begonnen" gibt dazu das Erkennen aus tiefen Wurzeln frei, daß wir Menschen immer und überall „in statu viatoris" sind, im Stande des Auf-dem-Weg-Seins; es spricht aber auch von der Pflicht, immer wieder neu zu beginnen, die Dynamik des Tuns vertrauensvoll aufzunehmen. Auch „Messendorf' ist nur ein Neubeginn - es öffnet aber weite Horizonte.

Der Autor ist Generaldirektor der „Styria".

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