7003900-1987_35_13.jpg
Digital In Arbeit

Aufbruch in Krems

Werbung
Werbung
Werbung

Auf dem weiten Weg zu einer Universität in Niederösterreich scheinen zwei wichtige Etappen zurückgelegt: mit den Ergebnissen einer Bedarfsstudie für universitäre Einrichtungen in Niederösterreich und der als Regierungsvorlage in den Landtag eingebrachten „Wissenschaftlichen Landesakademie” (mit Sitz in Krems) ist man sowohl in strukturell-organisatorischer wie auch in inhaltlicher Richtung ein gutes Stück weitergekommen.

Die Phase der bekanntlich überaus heftig und kontroversiell geführten Debatte um die Notwendigkeit und die Möglichkeit einer künftigen Universität in Niederösterreich scheint damit durch die Diskussion um konkrete Verwirklichungsschritte abgelöst. Damit besteht freilich nicht schon Einigkeit darüber, wie eine derartige Universität aussehen könnte. Die wünschenswerte gründliche Vorarbeit wird im Rahmen der „Wissenschaftlichen Landesakademie” geleistet.

Auch wenn nicht bloß oberflächliche, der derzeitigen politischen Großwetterlage entsprechende Erwägungen nahelegen, den auch von der Bedarfsstudie bestätigten Bereich der „post-graduate”-Ausbildung voranzustellen, empfiehlt es bereits beim Aufbau derartiger Studien auf eine Gesamtkonzeption Rücksicht zu nehmen, die einer künftigen Universität in Niederösterreich durch den geopolitischen Standort im Donauraum geradezu auf den Leib geschrieben ist. Die damit vorgegebene überregionale und internationale Ausrichtung auf den Donauraum könnte — bei entsprechender Gliederung in den Strukturen sowie in den Lehr-und Forschungsinhalten - auch ein kulturelles Zentrum für jene Donauregion werden, die sich nicht einfach als nostalgische Idee abschieben und verniedlichen läßt, sondern deren Realität für Europa sich in den nächsten Jahren immer eindringlicher zeigen wird.

Dies fügt sich sehr gut in die von der empirischen Bedarfsstudie erbrachten Trends ein: gefordert und gewünscht wird hier ein fachübergreifendes Studium, das hochqualifizierte Spezialausbildung mit einer integrierten Gesamtausbildung verbindet. Diese bedeutet eine möglichst freie Kombinierbarkeit verschiedener Disziplinen und Studienfächer, wobei Mehrfach- und Doppelkompetenz der Absolventen auch der geforderten Praxisnähe der Ausbildung entsprechen soll.

Diese wissenschaftstheoretisch interessante Entwicklung weist über die unmittelbare „Brauchbarkeit” des Studiums für den Beruf hinaus, dabei wird die Tendenz zu jener „Unvermeidlichkeit der Geisteswissenschaften” (Odo Marquard) erkennbar, die gerade im Zeitalter der „harten” Naturwissenschaften und Technologien immer spürbarer wird. Der Ruf nach kombinierten, vernetzten und universalistisch orientierten Studiengängen entspricht jener differenzierten Spezialisierung, die nach Jahrzehnten der Konzentration auf ein Fach und einem Versagen des Interdisziplinären in seinen derzeit gegebenen Ansätzen für künftige Entwicklungen charakteristisch ist.

Dabei ist vor allem interessant, daß Bereiche wie Ethik, Kulturgeschichte, aber auch Konflikt-

forschung vor allem von Technikern und Naturwissenschaftlern gewünscht werden, während viele Geisteswissenschaftler eine ergänzende Ausbildung in Ökologie, Biologie oder auch im Recht als wichtig erachten. Die freie Kombination dieser Studiengänge, verbunden mit einem nach einem Baukastensystem erarbeiteten Studienplan in der „post-gra-duate”-Ausbildung, böte auch eine Möglichkeit, das von der Wirtschaft wie von den Studierenden geforderte Anwendungswissen sinnvoll einzubauen.

Das „post-graduate”-Studium so aufzubauen, daß sich sowohl für die Forschung wie auch für die Praxis eine qualifizierte Ausbildung ergäbe, würde eine Fülle von innovativen Möglichkeiten eröffnen.

Aus den Anforderungen — fachbezogenes Anwendungswissen und hochspezialisierte Forschung — ließe sich ein struktureller Rahmen für „post-graduate” Studien erstellen, dessen Inhalte weniger der Grundlagenforschung als jenen „Marktlücken” gewidmet sein sollten, in denen Österreich große Chancen für die Zukunft hätte — gerade als kleines Land.

So wird etwa an eine Managementausbildung für mittlere Betriebe gedacht, an ein Zentrum für Touristikforschung, an ein von den bisherigen Usancen abweichendes Zentrum für Fremdsprachenausbildung, an eine Medienakademie, an ein Zentrum für Arbeitsmedizin, für Biotechnologie, für gezielte Lehrerfort-bilätfrfg oder für Konfliktforschung. Bereits diese Beispiele zeigen, daß die Kombination einer vernetzten Einführungsphase mit einer Spezialausbildung sorgsam überlegt werden muß.

Die Institutionalisierung aller Vorbereitungen in einer „Wissenschaftlichen Landesakademie”, die in enger Zusammenarbeit mit der Hochschulplanungskommis-sion des Wissenschaftsministeriums vorgehen sollte, ist die Voraussetzung einer fundierten Planung ebenso wie der Erprobung von Studiengängen in der Praxis. So könnte eine Universität entstehen, die die Defizite der bestehenden hohen Schulen aufarbeitet und die Herausforderungen der Zukunft, die für Österreich auch allemal mitteleuropäische sind, aufgreift und sich ihnen stellt.

Der Autor ist Professor für Philosophie an der Universität Wien.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung