7054950-1991_14_15.jpg
Digital In Arbeit

Auflagen für die Katzf

Werbung
Werbung
Werbung

FURCHE: Trägt die Behörde Schuld an der mangelnden Umsetzung der Umweltgesetzgebung?

WOLFGANG HUBER: Die Kritik an den Behörden hat eine gewisse Berechtigung. Es stimmt, daß sie sowohl personell als auch fachlich in vielen Bereichen nachhinken. Da gäbe es einiges zu verbessern. Aber folgendes ist wesentlich: Die Kontakte zwischen Firmen und Behörden müßten viel besser sein. Vor allem müßten die Unternehmen endlich dazu übergehen, die Bescheide der Behörde auch tatsächlich zu vollziehen und die Auflagen einzuhalten.

FURCHE: Tun sie das nicht?

HUBER: Vielfach werden die Auflagen umgangen und man wartet darauf, bis ein Behördenvertreter es entdeckt. Oder es wird systematisch gegen die Auflagen berufen. Dadurch hofft man, daß die Akte vom Tisch der unmittelbar betroffenen Beamten weg sind. In der Zwischenzeit läuft der Betrieb weiter und das Geschehen entzieht sich noch dazu dem behördlichen Zugriff.

FURCHE: Bringt das wirklich etwas?

HUBER: Durch die Langatmigkeit der Berufungsverfahren - oft wird die Sache bis zum Verwaltungsgerichtshof durchgefochten -haben die Betriebe lange Zeit einfach weiterzuarbeiten. Dazu kommt, daß die Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs meist sehr wirklichkeitsfremd sind. Sie sind sehr oft auch reine Formalentscheidungen. Irgendein eher unbedeutender Verfahrensfehler führt dann zur Aufhebung der ursprünglichen Entscheidung.

FURCHE: Reicht der Personalstand an Beamten, um der Aufgabenstellung der Umweltgesetzgebung Rechnung zu tragen?

HUBER: Sicher gibt es eine personelle Unterbesetzung. Aber dieses Faktum ist nicht ausschlaggebend. Im Raum, den unsere Behörde betreut, müßte man mit dem gegebenen Personalstand noch zurechtkommen. Aber, wie gesagt, das würde die Kooperation der Betroffenen voraussetzen.

FURCHE: Und ohne Kooperation würde auch ein Heer von Beamten nichts nützen?

HUBER: Im Einzelfall gegen den Willen der Beteiligten das Recht durchzusetzen, bedeutet einen solchen Aufwand, daß dies nur durchgezogen werden kann, wenn es sich um eine Ausnahme handelt. Man muß nur folgendes bedenken: Man müßte im Unternehmen den Wareneingang kontrollieren, die TechEs läßt sich ein

endloses Spiel von Bescheid und Aufhebung spielen...

nologie und die Produktion im Betrieb im Detail durchschauen und schließlich den Abfall genau erfassen. Im Grunde würde das ein Insider-Wissen für jeden Betrieb bedeuten. Nur wenn man nämlich all das durchschaut, kann man letztlich beurteilen, wieviel Sonderabfall im jeweiligen Betrieb abfallen müßte. Ohne dieses Wissen kann man ganz leicht an der Nase herumgeführt werden.

FURCHE: Wie kann man aber Bescheide erlassen, wenn man das

Verfahren nicht wirklich durchschaut?

HUBER: Der Bescheid ist ja eine Reaktion auf ein Firmenprojekt. Diese enthalten jedoch meist viel zu wenig Information über Abfallmengen. Vielleicht weiß der Einreicher zu Beginn auch manchmal noch zu wenig darüber. Die Behörde legt im Bescheid dann aber fest, daß anfallender Sonderabfall zu sammeln sei. Nur halten sich sehr viel nicht daran. Es besteht überwiegend nicht die Bereitschaft, freiwillig mitzuwirken. Und so müßte man eigentlich jedem Detail nachrennen. Das würde einen enormen Zeitaufwand bedeuten. Noch einmal: Man kann Auflagen noch so klar formulieren, viele Unternehmen setzen sich darüber hinweg.

FURCHE: Läßt sich das illustrieren?

HUBER: Eine Verhandlung für die Überprüfung der Tankstelle eines Multi ist ausgeschrieben. Es waren 20 Auflagen gegeben worden. Zur Verhandlung erscheinen die Vertreter, ohne die Erfüllung einer einzigen Auflage nachzuweisen. „Das schicken wir Ihnen",heißt es. Dann kann man den Unterlagen einzeln nachlaufen.

FURCHE: Würden strengere Strafen helfen?

HUBER: Je höher die Strafen, umso eher wird berufen. Wir haben schonStrafenvon50.000bis 100.000 Schilling verhängt. Dagegen wurde sofort berufen.

FURCHE: Und die Berufungsbehörden stellen sich nicht hinter diese Entscheidungen?

HUBER: Leider nein. Nicht zuletzt, weil - wie gesagt - der Verwaltungsgerichtshof so oft aus formalen Gründen aufhebt. Und dabei geht es auch immer um Kostenfragen. Irgendwie stoßen wir hier an ein Grundproblem der Demokratie. Es läßt sich da ein endloses Spiel von Bescheid und Aufhebung spielen. Viele Betriebe beschäftigen eben lieber Rechtsanwälte, bevor sie eine Schuld eingestehen.

FURCHE: Läßt sich das durch ein Beispiel illustrieren?

HUBER: Folgendes Paradebeispiel: Bei einem Brückenbau wird der abgegrabene Lehm in den Bach gepumpt. Ich sehe das zufällig: ein

Kilometer verunreinigtes, total verlegtes Gerinne und mache den Polier auf die Übertretung der Auflage aufmerksam. Seine Antwort: „Was soll ich sonst damit?" Also Strafverfahren: 3.000 Schilling, für eine Baustelle ein Lappalie. Und statt diese lächerliche Strafe zu bezahlen, wird Berufung eingelegt. Sie ist allerdings noch nicht entschieden. Ich will damit nur zeigen, daß wir als Beamte fortgesetzt boykottiert werden.

Der Autor ist Sachverständiger für Wasserrechtsfragen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung