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Aufrecht in dunkler Zeit

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Carry Hauser, einer der wichtigsten Maler Österreichs, der vor allem auf Grund der besonderen historischen Umstände bis heute viel zuwenig Beachtung fand, feiert dieser Tage seinen 90. Geburtstag.

Sein Lebenswerk, das fast unser ganzes Jahrhundert umspannt, wurde von dessen Wendemarken entscheidend mitbestimmt. Carry Hauser wurde am 16. Februar 1895, als Sohn eines Beamten im Ministerium des kaiserlichen Hauses und des Äußeren, in Wien geboren. Er besuchte das Schottengymnasium, belegte 1911 an der Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt zwei Kurse, danach ging er an die Wiener Kunstgewerbeschule (die heutige Hochschule für angewandte Kunst) und hatte hier die Möglichkeit, unter anderem bei den Professoren Roller, Böhm, Strnad und Kenner zu studieren. 1914 bis 1918 stand der junge Maler fast ohne Unterbrechung an der Front. Trotzdem hatte Hauser, in den letzten zwei Kriegsjahren mittlerweile zum Leutnant aufgerückt -, Zeit zum Malen. Mit diesen Bildern, die 1918 in einer Ausstellung des „Infanterieregiments Kaiser und König Franz Joseph I Nummer 1” im schlesischen Troppau gezeigt wurden, machte Carry Hauser zum ersten Mal. von sich reden. Hier lernte er auch den Dichter Franz Theodor Csokor kennen, der ihm zum künstlerischen Weggenossen und Freund wurde. Dieser schrieb damals über Hausers Büder: „Es war der Krieg, der von den Wänden klagte und schrie, und er gebot der Hand des Künstlers neue Farben, neue Formen.”

Nach dem Krieg ließ sich Hauser in Wien nieder, entfloh aber bereits nach wenigen Monaten der entfesselten Stadt und zog sich nach Hals bei Passau zurück. Hier entstanden die Blockbücher

„Die große Nacht des Bruder Dominicus” und „Das Buch von der Stadt”. Das „Nächtebuch” (1921), ein Traumtagebuch, das 1981 in einer bibliophilen Ausgabe neu aufgelegt wurde, zählt heute zu den bedeutenden Zeugnissen des österreichischen Expressionismus.

Den Erfolg der Ausstellung, die Arthur Roessler bereits 1919 für ihn im „Haus der jungen Künstlerschaft” organisiert hatte. konnte Hauser in den Nach-kriegswirren nicht für sich nutzen. Erst 1922, im Jahr seiner Heirat mit Gertrude Herzog, übersiedelte er wieder nach Wien. Hier gründete er noch im selben Jahr mit Freunden die Künstlervereinigung „Freie Bewegung”.

Etwa 1923 trat er auch im Hagenbund in Erscheinung und wurde 1927 dessen Präsident. Er legte großes Augenmerk auf thematische Ausstellungen. Es war das Bemühen, die Kunst wieder populär zu machen und mehr Interessenten für Ausstellungen zu finden. Daß dies jedoch immer schwieriger wurde, lag weniger am abnehmenden Interesse des Publikums als an der Verschärfung der wirtschaftlichen Situation, in der sich das Land befand.

Das Jahr 1939 brachte dem Reserveoffizier Hauser einen neuen Einrückungsbefehl. Er benutzte einen Urlaub, um in die Schweiz zu emigrieren. Seine Frau und sein fünfjähriger Sohn befanden sich bereits in Holland. Die Kriegsjahre fristete Carry Hauser, getrennt von Frau und Kind, in der Schweiz. Als politischer Emigrant war er mit Arbeitsverbot belegt. Trotzdem setzte er seine künstlerische Tätigkeit als Maler und Schriftsteller fort. So entstanden Fresken auf Villen in Ca-nobbio bei Lugano, ein Christopherus auf dem Simplon-Paß und Wandmalereien in der Bergkirche im Flims-Waldhaus.

Erst 1946, wieder mit seiner Fa-müie vereint, kehrte er nach Wien zurück. Es galt für Hauser noch einmal, zum dritten Mal in seinem Leben, von vorne zu beginnen. Er beteiligte sich nun maßgeblich am Wiederaufbau des kulturellen Lebens in Österreich. Er wurde unter anderem Generalsekretär des neuerrichteten österreichischen PEN-Clubs und Ehrenpräsident des Neuen Hagenbundes.

Heute lebt Hauser in Wien. Bis vor wenigen Jahren unternahm er viele Reisen, die ihn vorwiegend nach Afrika führten, und immer brachte er reiches Skizzen- und Bildmaterial von seinen Reisen mit. 1965 machte Carry Hauser in den Zeitungen Schlagzeilen, als einige in der Zedlitzhalle verbrannt geglaubte Bilder im Kunsthandel wieder auftauchten. Sie gehören in ihrem kubistisch-expressiven Stil zu den wichtigsten Zeugnissen der österreichischen Zwischenkriegskunst. Die von ihm selbst gedruckten Holzschnitte aus dieser Zeit zählen heute zu gesuchten Sammlerblättern.

Nach 1945 wandelt sich seine Kunst etwas mehr zum Realistisch-Expressiven. Heute ist Hauser, immer noch aktiv, bereits eine Institution.

„Die Kunst”, sagt Carry Hauser, „ist immer schrecklich, die Kunst ist immer unheimlich, weil man immer an ihr scheitert, weil man immer von vorne beginnen muß. Oft malt man knapp am Selbstmord. Und trotzdem: Wenn's einen packt, wenn's einen erwischt, kommt man nicht mehr los von ihr.”

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