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Aufruhr in Kairo

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Von den Fundamentalisten aufgehetzte Polizeischüler stürmten Kairoer Nobelhotels. Präsident Mubarak setzte Armeepanzer ein. Wird aus Ägypten eine Islamische Repubik?

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Von den Fundamentalisten aufgehetzte Polizeischüler stürmten Kairoer Nobelhotels. Präsident Mubarak setzte Armeepanzer ein. Wird aus Ägypten eine Islamische Repubik?

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Nachdem sich Anfang der Woche nur mehr ein Widerstandsnest der auf ständigen Sicherheitspolizisten, umstellt von Panzern und Artillerie, behaupten konnte, ohne daß die fast sechstägige Revolte auf die Zivilbevölkerung übergegriffen hat, sind die ägyptischen Streitkräfte vorerst einziger Herr der Lage. Die Meuterer haben es sich weitgehend selbst zuzuschreiben, daß ihr Protest gegen das „sündig-korrupte“ Mubarak-Regime keinen Aufruhr aller islamischen Fundamentalisten am Nil ausgelöst hat.

Die Polizistenschüler hatten es

in erster Linie aufs Plündern und nicht aufs Kämpfen abgesehen. Es war wieder einmal der typische Versuch einer „Revolution auf ägyptisch“. Die Jagd der jungen, in Polizeiuniform gesteckten Heeresrekruten auf die Alkoholbestände der „Auberge des pyra-mides“, die halbnackten Bauchtänzerinnen im Ölscheich-Nachtclub „Al-Leil“, die Fleisch-, Käse-und Schokoladebestände des Mö-venpick-Hotels „Jolly Ville“ bei den Pyramiden und auf die Geldbörsen eben glücklich aus den Fenstern ihrer in Brand gesteckten Bungalows gekletterter Touristen war einfach eine Wiederholung dessen, was sich schon bei Ägyptens „Revolutionen“ von 1881,1919 und 1952 an Raffgier und Fremdenhaß abgespielt hatte.

Das trifft natürlich - nur - für die Mehrzahl der Mitläufer bei dem Umsturzversuch in den Tagen nach dem 25. Februar zu. Der Kern der Aufrührer ist in Gizeh und Assiut, Ismailia und Heliopo-lis nach zähestem Widerstand tapfer in den Tod gegangen, um

sich einen Platz in Allahs siebentem Himmel zu sichern. Es war auch kein Zufall, daß das Polizeicamp beim Kairoer Flughafen, in dem bis zuletzt und bis zur letzten Kugel gekämpft wurde, der Stationierungsort des fundamentalistischen Sadat-Mörders, Leutnant Chaled Al-Islambuli, im Jahr 1981 war.

Kairo wird jetzt auf Monate mit seiner Innenpolitik vollauf zu tun haben und in der Nahostfrage kaum eine mäßigende und vermittelnde Rolle spielen können. Weder zwischen Jordanien und der PLO noch zur Regelung der noch immer offenen Friedensaspekte mit Israel.

Wie sehr Kairo jetzt an einer außenpolitischen Schnaufpause liegt, hat die fast dankbare Aufnahme der Erklärungen des sei-

nerzeitigen Likud-Friedensma-chers und ersten israelischen Botschafters Eliahu Ben Elisar über Radio Jerusalem gezeigt. Darin war Israel geraten worden, sich mit all seinen Wünschen an die Adresse der Ägypter jetzt einmal passiv zu verhalten, bis am Nil die schlimmsten Wunden verheilt sind.

Im islamistischen Lager hingegen hieß es natürlich erst recht in der Flüsterpropaganda von Mund zu Mund: Seht, seht, das Regime der Judenknechte. Jetzt halten Jerusalem und das Weltjudentum Mubarak die Stange.

Die in Ägypten schon seit den siebziger Jahren latente Gefahr einer fundamentalistisch-islamischen Massenrevolution ist durch die Niederschlagung des Putsches

im polizeilichen Sicherheitsapparat und die praktische Machtergreifung der Streitkräfte keineswegs gebannt.

Im Gegenteil verfügt Kairo jetzt nach Entwaffnung von 100.000 Sicherheitspolizisten über keine wirksame Waffe gegen einen Aufstand der Straße mehr. Mit Bombern und Geschützen kann man keine unbewaffnete Volkserhebung unterdrücken. Das haben den Schah und seine Generäle die islamische Revolution in Teheran und zuletzt Präsident Marcos die Kolonnen von „People's power“ in Manila gelehrt.

Innenminister Achmad Rusch-di war der besondere Vertraute des Präsidenten und der erklärte Gegenpol zu Ägyptens starkem Mann Marschall Gasala. Ruschdi mußte nun von Mubarak geopfert werden, nachdem die gesamte Links-Opposition eine völlig neue Regierung und die Konservative Wafd-Partei ihre Beteiligung am Kabinett gefordert hatten. Neuer Innenminister ist ein erklärter Gasala-Mann, der bisherige Militärgouverneur von Oberägypten, General Zaki Badr. Er wurde nicht von ungefähr zum Mann der Stunde: hatte er doch im Oktober 1981 den mit der Sadat-Ermor-dung koordinierten Fundamentalisten-Putsch in Assiut effektiv, wenn auch brutal, zusammengeschlagen.

Abgesehen davon, daß General Badr jetzt ganz Ägypten in ein solches Assiut der Verhaftungswellen, Ausgangssperren, Schauprozesse und Bluturteile zu verwandeln droht, hat er sofort den gesamten Polizeiapparat von Mubarak-Anhängern gesäubert. Nicht nur der Befehlshaber der Meuterer, auch acht weitere Polizeigeneräle mußten das noch von Abdel Nasser geschaffene Sicherheitszentrum des „Mugamma“ am Kairoer Freiheitsplatz verlassen und wurden durch bisherige Armeekornmandanten ersetzt.

Damit ist Ägyptens innere Ordnung mehr aus dem Gleichgewicht gekommen als durch die Pp-lizistenrevolte selbst. Will Mubarak wenigstens die eigene Position retten, so wird er nicht umhinkönnen, die Armee wenigstens mit jenen Privilegien sanft zu stimmen, die sie unter Nasser in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht bis zur Streichung durch Sa-dat besessen hatte.

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