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Aufstand in den Bantustan

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Den Ursprung haben die Bantustan oder Homelands in einer Politik, die jener schwarzen Bevölkerung, die Bantu genannt wird, eigene Reservate zuwies. Die Bantustan sind also ein Aspekt der Apartheidpolitik Südafrikas. Das begann mit der Einführung der „Promotion of Bantu self-govern-ment Act“ im Juni 1959 und entfaltete sich in der ersten Hälfte der sechziger Jahre beständig.

Die Homelands wurden auf ethnischer Basis errichtet, anfangs gab es sieben solche Staaten, heute zehn (siehe Karte). Sie haben eine söge-

nannte autonome Regierung und folglich ihr eigenes politisches und administratives Leben. Fünf Bantustan - Bophuthatswana, Ciskei, Transkei, Venda und KwaNdebele - haben bereits die Unabhängigkeit, aber noch keine internationale Anerkennung.

Die Bantustan sind zu sehr zersplittert, um lebensfähig zu sein. Sie werden von „Chief Ministers“ (Premierminister) regiert, die den Administrationsapparat als ihr Privateigentum betrachten.

In den siebziger Jahren lebte noch eine Minderheit der Schwarzen, 43 Prozent, in diesen Bantustan; heute sind es bereits 60 Prozent, das heißt 17 Millionen von den 28 Millionen Schwarzen in Südafrika. Ihre Ökonomie basiert auf Landwirtschaft und Viehzucht, die sehr geringe Einnahmen bringen.

Für die südafrikanischen Steuerzahler werden sie mit j edem Jahr zu einer größeren Belastung. Die Zukunft der Bantustan ist heute unsicher. Sie stecken in einer tiefen ökonomischen Krise und sind von ständigen politischen Unruhen bedroht, das heißt sie sind sehr instabil. Unruhen gab es 1985 und 1986 in Bophuthatswana, KwaNdebele und Lebewa.

Pretoria wollte die Townships stabilisieren und die Opposition ausschalten: Es schuf, daher neue Arbeitsplätze, baute bessere Häuser, hob den Lebensstandard für die Schwarzen, die Arbeit im Urbanen Bereich haben. Die Kehrseite dieser Strategie: Die Alten, die Arbeitslosen, die Obdachlosen müssen die Townships verlassen und in die Bantustan ziehen, wo die Administration repressiv und korrupt ist.

Der Versuch Pretorias, den Wohlstand in diesen Marionettenstaaten zu heben, indem Investment gefördert wurde, glückte nicht. Die Arbeitsbedingungen in den Fabriken sind schlimmer als jene in Südafrika; kleine Bauern und Viehzüchter wurden illegal enteignet. Um die Homelands zu entwickeln, bot die südafrikanische Regierung jenen Unternehmen, die bereit wären, dort zu investieren, finanzielle Unterstützung an und lockte mit Privilegien - es gibt ja keine Gewerkschaften, keine Kollektivverträge, die Löhne sind sehr niedrig.

In vielen Fabriken, die meist Europäern oder Asiaten gehören, ist der tägliche Arbeitslohn niedriger als zwei Dollar. Der Fabrikant entläßt die Arbeiter nach seinem Gutdünken - auch wenn diese im Krankenstand sind und ein ärztliches Attest vorweisen können. Die Arbeitslosigkeit in diesen Homelands betrifft 50 Prozent der arbeitsfähigen Bevölkerung. Fast 70 Prozent der Bevölkerung leben in größter Armut.

Solche Lebens- und Arbeitsbedingungen sind ein fruchtbarer Boden für oppositionelle Gruppen,

die besonders in den Jahren 1984 bis 1986 auftraten. Die Regierung konnte sie nicht zerschlagen.

Die südafrikanischen Geschäftsleute sind besonders um das Geld besorgt, das der Staat dort investiert hat. Die zehn Bantustan kosteten im abgelaufenen Steuerjahr sechs Milliarden Rand, das sind fünf Prozent des Bruttonationalpro-duktes. 1983 wurde eine Entwicklungsbank gegründet, aber Korruption und finanzielle Machenschaften fanden kein Ende. 1986 mußten Transkei, Venda und Bophuthatswana ihren Bankrott erklären.

Die ökonomischen Verbindungen zwischen Südafrika und den Bantustan wurden verstärkt. 1986 wurde der National State Constitution Act von 1971 abgeändert: sechs abhängige Bantustan erhielten die Kontrolle über 4,5 Millionen Hektar Land, das vorher vom South African Development Trust abhängig war. Wenn in den abhängigen Bantustan ein großer Teil des Landes kleinen Bauern gehörte, so steht es heute unter der Kontrolle der lokalen Administration.

1987 wurden in Ciskei Gesetze verabschiedet, die die Landprivatisierung betrafen. Um den Einfluß in den abhängigen Bantustan weiter zu festigen, gibt ihnen Pretoria mehr juridische Macht. Nach Meinung einiger Beobachter wird die südafrikanische Regierung in Zukunft die nominale Unabhängigkeit dieser Bantustan aufgeben, weil sie die gesamte Macht auf dem Gebiet der ökonomischen Planung und der Verwaltung hat.

Im Augenblick ist das politische Dilemma groß: Die Führer der Bantustan verlieren schrittweise die Unterstützung der Beamten wie auch der Wirtschaftsleute. Obwohl Pretoria sie als die eigentlichen Führer der Schwarzen hervorstreicht (weil sie diese als Partner im National Statutory Council braucht), so haben sie doch nicht mehr die Unterstützung ihrer Bürger.

Und wenn es einmal einen gewaltigen Aufstand der Schwarzen geben sollte - und es wird einmal dazu kommen - so ist es wahrscheinlich, daß dieser in den Bantustan beginnt.

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