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Auftakt an den Sprechbühnen

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Die Spielzeit begann an zwei Großbühnen mit alten, viel aufgeführten Stücken. Im Theater in der Josefstadt hatte man in der vergangenen Saison mit Oscar Wildes „Die Frau ohne Bedeutung“ den größten Publikumserfolg, daher wurde nun sofort ein anderes Stück dieses einst süffisant geistvoll wirkenden Autors, „Bunbury“, angesetzt. Das Volkstheater führt die Vorstadtlegende „Liliom“ von Franz Molnar in vierter Inszenierung vor. Das Burgtheater verschob wieder eine Premiere um eine Woche, die im Akademietheater bereits terminisiert war.

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Die Spielzeit begann an zwei Großbühnen mit alten, viel aufgeführten Stücken. Im Theater in der Josefstadt hatte man in der vergangenen Saison mit Oscar Wildes „Die Frau ohne Bedeutung“ den größten Publikumserfolg, daher wurde nun sofort ein anderes Stück dieses einst süffisant geistvoll wirkenden Autors, „Bunbury“, angesetzt. Das Volkstheater führt die Vorstadtlegende „Liliom“ von Franz Molnar in vierter Inszenierung vor. Das Burgtheater verschob wieder eine Premiere um eine Woche, die im Akademietheater bereits terminisiert war.

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Mit der Komödie „Bunbury“ hat es eine eigenartige Bewandtnis. Führende, sehr schätzbare Kritiker schrieben noch in jüngster Zeit in Worten höchsten Lobes über dieses Stück, es ist unfaßbar. Was sich da nämlich begibt, dreifache Verlobung mit zum Teil läppischen Hindernissen, erweckt heute den Eindruck, als sei dies für Badefische der Jahrhundertwende geschrieben, die derlei Begebnisse entzücken konnten. Vielleicht erröteten sie dabei. Die Lösung der Hindernisse gemahnt an die Köchinnenliteratur von einst. Doch ist eine Ironisierung des eigenen Stücks durch Wilde keineswegs spürbar, wie behauptet wurde und wird, er ironisiert die herrschende Klasse. Die gerühmten Aperęus vor allem im ersten Akt und gegen Schluß konnten prickelnd auf eine sklerotisch gewordene Gesellschaft wirken, aber was sollen wir heute mit den lahm gewordenen Gedankensprüngen anfangen, die alles Überraschende verloren haben! Es läßt sich weder das so gepriesene Amüsante der Komödie bestätigen, mochte es sich auch immer wieder bewährt haben, schon gar nicht ein angeblicher „Geist“, der da zu spüren sei, noch die mehrfach behauptete Genialität.

In der Aufführung unter der Regie von Axel Corti fehlt alles: Eleganz, Snobismus, präpotente Scheinüberlegenheit, noble Lässigkeit. Einen glaubhaften Menschen — allerdings nicht Wildescher Prägung — spielt einzig Marianne Nentwich als Cecily, einigermaßen spricht Claudia Rie- schel als Gwendolen an, Heinz Ma- racek dilettiert nicht, aber zum John Worthing fehlt ihm die Ausstrahlung des Gesellschaftsmenschen. Über Jane Tilden als Lady Brackneil, Peter Matič als Algernon, Bibiana Zeller als Miß Prism sei aus Höflichkeit geschwiegen. Emst Waldbrunn spielt als Kanonikus wieder sich selbst. Wirkungsvolle Bühnenbilder schuf Monika Zallinger für den ersten und dritten Akt, im zweiten glaubte sie witzig sein zu müssen, was mißlang.

Voller Gegensatz zu der Vorstadtlegende „Liliom“ von Franz Molnar im Volkstheater und ihrer Aufführung. Diesen Liliom hat man mehrfach hinter Schloß und Riegel gesetzt, er ist ein Tunichtgut, beteiligt sich an einem Raubmord, dessen Durchführung allerdings nicht gelingt, dennoch nimmt er sozusagen ungewollt für sich ein. Man mag dabei an Gestalten in den Stücken von Wolfgang Bauer, Herwig See- böck, Harald Sommer denken, doch für sie regt sich nichts in uns. Was ist der Unterschied? Weckt dieser Hutschenschleuderer unsere Anteilnahme, weil er ein Unband von Mann ist, weil schlichte Weibswesen ihm verfallen? Kaum, es sitzt doch wohl tiefer. Liliom packt uns, da seine Brutalität die Folge einer Hilflosigkeit ist, eine Scheu bekundet, daß das letztlich Gute in ihm sichtbar werde. Indem dies Molnar bei dem ungebärdigen Kerl mit besonderer Zartheit spürbar macht, wird er im Gegensatz zu den Bauer, Seeböck, Sommer zum Dichter. Hier nimmt Molnar ein Kennzeichen unserer Zeit vorweg. In der Erzählung „Liliom“, die er laut Emst Lothar in fünfzig Minuten nachts vor Redaktionsschluß schrieb — aus ihr entstand das Stück —, hieß es, daß es diesem Menschen nicht gegeben war, Julika seine Gefühle zu zeigen. Heute werden Gefühle nicht nur nicht gezeigt, sie gelten als suspekt. Doch sind Zeichen einer Wende erkennbar.

Stücke, die in schlichten sozialen Bereichen spielen — das Wort „Volksstück“ sitzt heute nicht mehr richtig —, bringt das Volkstheater immer wieder in wohlausgewogenen Aufführungen bei weitgehend dek- kenden Besetzungen heraus. Unter der Regie von Gustav Manker gelingt es diesmal wieder. Hans Putz, der hier, nach Pallenberg und Al- bers, schon vor achtzehn Jahren den Liliom spielte, war keineswegs der Mannskerl, dem die Dienstbotenmenscher reihenweise erliegen, nun ist er auch im Alter darüber hinaus, aber das Ungebärdige kommt mit stärkstem Temperament zum Ausdruck, vollends ist es packend, zu sehen, wie in dem rüden Klachel rumort, was er nicht wahrhaben will, das Gewissen etwa. Elfriede Ram happ spielt die Julie völlig verhalten, wodurch eben das schicksalhafte Nicht-anders-Können glaubhaft wird. Als Marie kommt Brigitte Swoboda merkbar aus der Vorstadtgosse, nicht vom Land, wodurch ihre Naivität nicht überzeugt, sie überrascht aber durch den unaufdringlichen Wandel zur „feinen“ Dame. Hilde Sochor gibt der Frau Muskat die ganze Vehemenz dieser Gestalt. Hinterhältige Perfidie wirkt jbgi Heinz. Pętteys als Ficsur ąlję^ schon durch die heimtückisch gelassenen Bewegungen. Gustav Dieffenbacher waltet als Polizeibeamter des Himmels mit milder Strenge.

Die Bühnenbilder von Georg Schmid müßten Praterstimmung vermitteln, ein Zwischenvorhang mit Schießscheiben genügt da nicht.

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