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Aus angelsächsischer Sicht

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Universitätsprofessor Robert A. Kann, Spezialist in Fragen des Nationalitätenproblems in der Habsburgermonarchie, stellt sein enormes Wissen auf dem Gebiet der österreichischen und osteuropäischen Geschichte in seinem neuesten Werk „Geschichte des Habsburgerreiches 1526-1918“ in einen breiteren Rahmen.

Überraschend zunächst die ungewöhnliche Periodisierung: Kann begibt sich nicht ins Fahrwasser bisher gängiger historischer Darstellungen der Habsburgerdynastie, die fast alle bei Rudolf 1.1273 anfangen. Für Kann beginnt die Geschichte des Staatenverbandes 1526/27 unter Ferdinand L, als die deutsch-österreichischen Erblande mit den Ländern der böhmischen und der ungarisch-kroatischen Kronen unter dem habsburgischen Zepter vereinigt wurden, gewissermaßen die markante Demarkationslinie zwischen territorialer Mittelmäßigkeit (im Vergleich zur späteren Ausdehnung) und dem Eintritt ins europäische Mächtekonzert.

Der Leitgedanke des Werkes: Kann räumt der böhmischen und der ungarischen Krone sowie allen anderen Kronländern, in denen sich ethnische und nationale Minderheiten aufhielten, gleich viel Raum und Bedeutung ein wie den österreichischen Erbländern. Hier setzt auch Kanns Kritik an den bisherigen umfassenden Werken

über das Habsburgerreich ein, die einen zu „deutsch-zentralistischen Standpunkt“ vertreten würden.

Kann glaubt, daß Leopold I. sich nach Prinz Eugens großen Siegen über die Türken um 1700 vermehrt dem Osten hätte zuwenden müssen. Eine Antwort darauf sei dahingestellt. Trotzdem: Es ist zu bedenken, daß die Länder im Osten genauso wie Italien die Habsburger letztlich in blutige Kriege rissen, die mit der Loslösung der betroffenen Gebiete endeten.

Ein umfangreicher Anmerkungsapparat mit seinen zahlreichen bibliographischen Hinweisen paßt gut zum Image peinlichst genauer, objektiver, unemotioneller anglo-amerikanischer Historiographie. Besonders gelungen ist der „Bibliographische Essay“, da er jedem Laien prägnante Kurzbewertungen und dem Historiker eine Fülle von Material bietet. Das gleiche gilt für den kurzen statistischen Anhang. Was fehlt, ist ein umfangreicher Kartenteil, da nicht von jedem Leser das minuziöse geographische Wissen erwartet werden kann, das ein intensives Studium des Werkes nun einmal verlangen würde.

GESCHICHTE DES HABSBURGERREICHES 1526-1918. Von Robert A. Kann . Verlag Böhlau, Wien 1977, 617 Seiten mit 5 Karten, öS 696-

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