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Aus dem Auspuff kommt Sodawasser

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Auch der erhoffte Mager-Motor für Benzin wird uns das schnelle, billige Fahren mit gutem Umwelt-Gewissen nicht bringen. Größere Maschinen laufen erst im Labor.

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Auch der erhoffte Mager-Motor für Benzin wird uns das schnelle, billige Fahren mit gutem Umwelt-Gewissen nicht bringen. Größere Maschinen laufen erst im Labor.

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„Der Katalysator ist eine schlechte Lösung der Abgasfrage, doch eine bessere kenne ich gegenwärtig nicht“, darf man, in Abwandlung des Churchill-Wortes über die Demokratie, sagen. Seit Oktober sitzt uns der Katalysator bei Autos über 1500 Kubikzentimeter Hubraum im Genick, ein Jahr später auch bei vielen Kleineren. Wegen der für Österreich, die Schweiz, Schweden und Dänemark spezifischen Abgasnorm US 83.

Der katalytische Reaktor, wie das heute schon liebevoll KAT genannte Ding richtig heißt, ist kei-

ne gute Lösung, weil er eine Verschlechterung des Wirkungsgrades moderner Benzinmotoren verlangt. Sonst kann er nicht funktionieren. Es muß statt des heute schon üblichen benzinsparenden Verhältnisses von einem Gewichtsteil Benzin auf 16 Gewichtsteile Luft mit exakt einem Teil Benzin auf 14,7 Teile Luft gefahren werden, sonst läuft die Umwandlung von nicht weniger als neun Zehnteln der Giftstoffe Kohlenmonoxyd (CO), unverbrannte Kohlenwasserstoffe (HC) und Stickoxyde (NO/N02) nicht ab. Das verlangt nach einer teuren, exakt geregelten Gemisch-aüfbereitung (elektronischer Vergaser oder elektronische Einspritzung), einer nicht so teuren, dehHSauerstoffgehaTt~ im“ Abgas messenden, elektronisch mit der Gemischaufbereitung verbundenen „Lambdasonde“, und bedeutet Mehrverbrauch von Benzin.

Der Effekt ist aber gewaltig. Als Kohlensäure oder Wasserdampf entweichen, mit Hilfe des KAT umgewandelt - nicht gefiltert! -, die vorherigen Giftstoffe ins Freie. Wenn man will: Aus dem Auspuff kommt Sodawasser.

Dies vollbringt der KAT: Er beschleunigt — in enormem Maß — die chemische Reaktion, ohne dabei selbst verbraucht zu werden.

Daß KATs besonders empfindlich seien, nichts aushalten, ist inzwischen Ammenmärchen geworden. Die für Europa erzeugten KATs (es sind im wesentlichen äußerst poröse Keramikgebilde, die mit den Edelmetallen Platin, Rhodium oder Palladium, oder allen dreien, bedampft sind und an denen dann der chemische Umwandlungsprozeß vollzogen wird) sind dicker beschichtet, für mehr Erschütterungen und Hitzeentwicklung durch höhere Fahrgeschwindigkeit gebaut. Nur verbleites Benzin „vergiftet“ sie, wenn man es öfter einfüllt. Das Blei legt sich über das Platin und ist nicht mehr wegzubringen. 6500 bis 8000 Schilling kostet dann ein neuer KAT.

Daß das KAT-Auto im Vergleich zum normalen Auto oft viel teurer ist, ist darauf zurückzuführen, daß eine Einspritzanlage statt des einfachen Vergasers nötig ist.

Die Leistungen der KAT-Autos sind keineswegs immer geringer. Ein Wagen, der, wie fast die Hälfte aller in Österreich fahrenden Autos, normalerweise mit 91-Ok-tan-Sprit betrieben wurde, bekommt den gleichoktanigen, nun bleifreien Normalsprit und verliert höchstens - ohne Meßgeräte

gar nicht feststellbar! — zwei bis drei PS an den etwas erhöhten Auspuffwiderstand. Das kann aber mit dem Spezial-Auspuff einer österreichischen Firma wieder wettgemacht werden, wenn man unbedingt will.

Was aber wären die besseren Lösungen? Es gibt sie bisher nur für die kleinsten Motoren, jedenfalls mit kurzfristiger Zukunftsaussicht. Es sind die Magergemisch-Motoren.

Könnte man Benzin-Luftgemische in einem Gewichtsverhältnis

von 1:24 leicht zum Brennen bringen, wäre alles fein. Leider geht das nicht ohne großen technischen Aufwand, und mit großem technischem Aufwand auch nicht gut: Die Motoren ruckeln und zuk-keln. Dabei ist der Magermotor keineswegs „sauber“. Er stößt ganz wenig Stickoxyde aus (etwa so wenig wie der KAT-Motor), aber die unverbrannten Kohlenwasserstoffe steigen rapide. Diese müssen ebenfalls in einem Katalysator, allerdings einem ganz billigen aus Metall, mit dem CO und

zusätzlichem Luftsauerstoff unschädlich gemacht werden.

Da die gesetzlichen Vorschriften die Schadstoffe im Abgas absolut, also nicht im Verhältnis zur Motorengröße, festlegen, ist es leichter, diese Grenzwerte mit einem kleinen Motor ohne großen technischen Aufwand zu erfüllen. So soll der Fiat-Fire-Motor mit 1000 Kubikzentimeter schon in nächster Zeit auch unseren (amerikanischen) Normen entsprechend auf den Markt kommen. \\ .i wenig hineinkommt, kommt poen auch wenig heraus. Bei großen Motoren aber ist der bisher nötige technische Aufwand, um die Dinger überhaupt zum regelmäßigen Laufen zu bringen, größer als der für den KAT-Motor. Daher wäre diese Lösung zwar technisch eleganter und mit weniger Kraftstoff-Verbrauch als beim KAT-Motor verbunden, aber sicher noch teurer. Auch diese Motoren dürfen, wegen des nötigen einfachen Oxydationskatalysators, nur mit unverbleitem Kraftstoff betrieben werden. Es wird noch fest an ihnen gearbeitet. Uber das Laborstadium ist noch kein Zwei-Liter-Magermotor hinausgekommen.

Bis auf einen: den idealen und auch schon hundert Jahre alten Magermotor des Herrn Diesel. Der hat heute höchsten Reifegrad, ist sparsam und läuft, insbesondere als Turbodiesel, ideal. Er entspricht auch ohne KAT oder Elektronik den US-Abgasbestimmungen, die bei uns gelten. Auch er ist freilich nicht billiger als ein KAT-Motor, im Gegenteil, sogar noch etwas teurer, dafür hat er aber den Vorteil der absoluten Sparsamkeit und der um eine Hubraumklasse verbilligten KFZ-Steuer. Die einst gültige Rechnung, man müsse, um die Mehrkosten- zu amortisieren, mindestens 100.000 km mit einem Wagen fahren, stimmt, wegen der geringeren Anschaffungspreis-Differenz zum KAT-Auto, nicht mehr. Und was die geringe Störungs-Anfälligkeit betrifft, tut's keiner einem Dieselmotor gleich.

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