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Aus dem Konzertsaal

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Claudio Abbado, Chefdirdgent der Mailänder Scala, ist bereits zum Lieblingsdirigenten der Wiener Philharmoniker, aber auch ihres Publikums avanciert. Für das letzte Abonnementkonzert hat er ein Mozart-Programm gewählt, das sowohl Orchester- und Chorwerke als auch ein Klavierkonzert und eine Gesangnummer des Salzburger Meisters brachte und für ein „Philharmonisches“ recht bunt erschien. Den Beginn machte das „Laudate Dominum“ aus den „Vesperae solennes“, KV 339; Abbado versenkte sich hier liebevoll in die Kostbarkelten der Partitur, stellte sie durchsichtig und in richtigem Fluß, aber auch mit Berücksichtigung ihres vornehmlich lyrisch-kontemplativen Inhaltes dar. Dem jungen, mit frischen Stimmen ausgestatteten „Wiener Jeunesse-Chor“ wurde die Ehre zuteil, zum erstenmal in einem philharmonischen Konzert mitzuwirken. Er hat sich, sorgsam von Günther Theuring vorbereitet, dieser Ehre würdig erwiesen. Das Sopransolo sang — ebenso im darauffolgenden „Rondo für Sopran und Violine“, KV 490 — Margaret Price sehr sicher und musikalisch, der virtuos gespielte Geigenpart war bei Konzertmeister Rainer Küchl — wortwörtlich — in besten Händen. Das Klavierkonzert in B-Dur, KV 395, interpretierte Rudolf Buchbinder. Er zeigte sich als vorzüglicher Dialogpartner des hier selbständig mit Variationen und kontrapunktischen Künsten auftretenden Orchesters. Am ausdrucksvollsten und mit singender Kanti-lene gelang dem Künstler das leidenschaftslose, „franziskanische Milde“ ausstrahlende Larghetto, wobei ihm das hier etwas zurücktretende Orchester dezent assistierte. — Nach der Pause trat noch einmal der „Jeunesse-Chor“ in Aktion. Das Kyrie in d-Moll, KV 341, bildete in seiner monumentalen Erhabenheit den Höhepunkt des Konzertes, groß in seiner architektonischen, Ruhe atmenden Anlage und wie ein vorausgenommenes Requiem wirkend. Um so gegensätzlicher und stärker prägte sich dann das D-Dur der in „Pariser Stil“ komponierten Symphonie (KV 297) aus, mit ihren beiden lebhaften, angeregten Ecksätzen und dem ernsten Andantano der „Urfassung“. Hier erwies sich Abbado als berufener, bestens bestehender Mozart-Dirigent, der das Orchester mit seiner ebenso klaren wie temperamentvollen Zeichen-gebung zu wundervollem, echt philharmonischem Musizieren brachte. Der Jubel der Zuhörer war vollauf berechtigt.

*

Nach wiederholten Konzertabsagen sowjetischer Künstler infolge Erkrankungen (oder Ausreiseschwierigkeiten?) hatte man das Auftreten des russischen Geigers Wladimir Spiwakow im Konzerthaus erwartet. Für ihn mußte nun die Oistrach-Schülerin Liana Issakadse einspringen, die damit ihr — wohlgelungenes — Debüt in Wien beging. Ihr Programm enthielt in allen Nummern fast ebensoviel Virtuoses wie musikalisches Edelgut: Bachs h-Moll-, Brahms d-Moll- und noch mehr Beethovens Kreutzer-Sonate verlangen von den Geigern ein hohes Maß von Technik. Liane Issakadse verfügt über einen runden, schönen, wenn auch nicht großen Ton, den sie mit energischem, aber auch weichem Bogenstrich aus den Saiten zieht. Man kann ihrem Spiel seelische und Werte der Intelligenz zusprechen, es ist temperamentvoll und vergißt über den Details nicht den Gesamtbau. Nicht ganz überzeugte ihre Interpretation der Kreutzer-Sonate, die namentlich im 2. Satz des dämonischen Ausdrucks entbehrte. Trotzdem eine anerkennenswerte Leistung. Den Tribut an die Moderne zollte die Künstlerin mit vier hübschen, filigranen „Pre-ludes“ von Schostakowitsch, einer vom Publikum besonders goutierten, leichten Geigenkost. Und nach der zum Abschluß mit technischer Brillanz gespielten „Habanera“ von Sarasate war die Zeit für ein mit kolossalem Beifall aufgenommenes Zugabenkonzert reif geworden. In Lidia Petscherskaja hatte die Künstlerin eine pianistisch vollwertige Partnerin.

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