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Aus dem Konzertsaal

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Im Großen Konzerthaussaal dirigierte der aus Rumänien stammende Erich. Bergel die Wiener Symphoniker. — Der junge Dirigent ist eine Entdeckung Karajans, der ihm den Sprung nach dem Westen und ans Pult der Berliner Philharmoniker ermöglicht hat (vorher hatte Bergel schon in Bukarest, Budapest, Prag, Warschau, Leningrad und Ost-Berlin dirigiert). Gleich mit dem eingangs gespielten „Don Juan“ von Richard Strauss erwies sich Bergel als ganz hervorragender, temperamentvoller Musiker. Äußerlich ähnelt er ein wenig Lorin Maazel, es gibt bei ihm auch etwas zu sehen, aber mit seinen zuweilen exzessiven Gesten erreicht er durchaus, was er beabsichtigt: die Wiener Symphoniker waren in Hochform. — Das 2. Klavierkonzert von CamiÜe Säinf-Saens, 1868 durch den Komponisten in Paris uraufgeführt, ist eirt gefällig-virtuoses 33-Minuten-Werk, das man, sobald der letzte Takt verklungen ist, auch schon wieder vergessen hat. Es bleibt der Eindruck einer gewissen Eleganz und Leichtigkeit — zuweilen auch Seich-tigkeit. Solistin war die aus Israel stammende Israela Margalit, Gattin des Dirigenten Maazel. Ihr wenig akzentuiertes und virtuoses Spiel war dem Stück angemessen und wurde mit lebhaftem Beifall bedacht. — Hauptwerk des Abends war die 1. Symphonie von Georgre Enescu (1881—1955), dem bedeutendsten Geiger und Komponisten, den Rumänien bisher hervorgebracht hat. Als junger Mensch hatte er in Wien bei Hellmesberger und Robert Fuchs studiert, Brahms war auf ihn aufmerksam geworden, und als er mit seinen Eltern nach Paris übersiedelte, förderten Jules Massenet, Am-broise Thomas und Gabriel Faure den jungen Künstler. Dort, in Paris, wurde auch im Jänner 1906 seine 1. Symphonie uraufgeführt. Sie ist am meisten Brahms und Reger verpflichtet, zeigt keinerlei folkloristische Einflüsse und ist glänzend instrumentiert. — Man mag Enescu in jener frühen Phase als „Eklektiker“ bezeichnen. Aber wie schön klingt diese noble und ausdrucksvolle Musik unter der Leitung des „Landsmannes“ Erich Bergel. Die Wiener Symphoniker spielten sie mit besonderer Tonschönheit. — Man sollte den jungen Dirigenten für Wien gewinnen — und ihn auch Programmvorschläge machen lassen. Er scheint manches zu kennen, was hierzulande unbekannt ist. (Das besprochene Konzert wird am Mittwoch, dem 3. Jänner, um 20 Uhr in ö 1 gesendet.)

Die Gesellschaft der Musikfreunde und übrigens auch die Staatsoper haben einen für Wien neuen Dirigenten „getestet“: Janos Kulka, einen gebürtigen Budapester und Assistenten Fricsays, der seit 1957 an den Opernhäusern in München, Stuttgart, Hamburg arbeitete und auch bereits die Berliner Philharmoniker dirigiert. Er stellte sich im Symphoniker-Zyklus im Musikverein mit Gustav Mahlers „Vierter“ (G-Dur) vor. Ein versierter Schlagtechniker frei von allen Allüren, ein Routinier, der mit knappen, sachlichen Markierungen selbst die in ihrem Gefühlsüberschwang heiklen Stellen der Mahler-Partitur sehr überzeugend gestaltet. Allerdings hätte er das korrekt und temperamentvoll spielende Orchester stellenweise noch etwas straffer führen müssen, um eine perfekte Wiedergabe zu erzielen. Manche Streicherausbrüche wirkten da in der Steigerungskurve zu exaltiert, zu überzeichnet und dann etwas zu abrupt abgebrochen. (Ein Musterbeispiel etwa, wie Bernstein diese Stellen abfängt!) Haiina Lukomska sang das Sopransolo kultiviert. — Vor der Pause führten der Pianist Walter Klien und der Geiger Wolfgang Schneiderhan Alban Bergs Kammerkonzert auf. Technisch wohl ausgewogen, so daß dieses Meisterwerk mathematischer Konstruktion in seiner kristallinen Bauform („Dreiheit der Ereignisse“) spürbar wurde. Gut eingespielt auch hier die 13 Symphonikerbläser, die im minuziösen Einanderzuspielen von Phrasen stets präsent waren.

K. H. R.

Rita Streich, von manchen Stimmattacken der letzten Zeit noch nicht recht erholt, wechselt von der Bühne auf das Podium des Brahmssaales hinüber, um in einem sehr bunten, von Mozart bis Ravel reichenden Programm sich als Liedinterpretin vor dem Publikum zu erproben. Daß die der Bühnenkünstlerin Streich wohlgesinnten Hörer auch mit der Liedersängerin mitgingen, geschah gewiß mit einiger Nachsicht sowohl mit der Stimme als auch — und hier noch mehr — hinsichtlich der Auffassung und Gestaltung der einzelnen Gesänge, die allzu einförmig und stilistisch oberflächlich interpretiert wurden. Besonders bei Brahms und Strauss trat dies in Erscheinung. Besser gelang Mozart mit „Komm, liebe Zither“ und „Un moto di gioia“. Robert Spielmann war ein diskreter, aber wenig ambitionierter Klavierbegleiter.

Unter der Direktion ihres neuen Leiters Hermann Furthmoser stellte sich die Bachgemeinde Wien in der Minoritenkirche mit einer Aufführung von Weihnachtskantaten ihres Namenspatrons ein, die im allgemeinen als gelungen zu bezeichnen ist. Hauptmerkmale dieses Sakralkonzertes waren die Lebendigkeit und Sauberkeit des in den Tenören zwar etwas schwachen Chores, sehr anerkennenswert war die Qualität des durch Philharmoniker verstärkten Orchesters. Von den drei aufgeführten Kantaten verdient die unter BWV 63 aufscheinende, „Christen, ätzet diesen Tag in Metall“, den ersten Preis der Interpretation. In dem nicht gerade überragenden Solistenquartett bot der für den Tenor Heinz Zednik einspringende Kurt Equiluz die beste Leistung. P. L.

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