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Aus dem Konzertsaal

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Die Händel-Bearbeitungen von Mozart waren zwar reine Brotarbeit mit dem Zweck, das notleidende Budget der Familie ein wenig aufzubessern, sie geben uns aber doch ein deutliches Bild von den Bedürfnissen des Wiener Konzertbetriebes um 1790 und der Gesohmacksausrieh-tung der Kavaiiersgesellschaft, für die Gottfried van Swieten die Bearbeitung des „Messias“ bestellte. Die Bemühung, die barocke Pracht durch graziöse Eleganz und Leichtigkeit der Linien und Formen zu überwinden, tot allenthalben deutlich. Flöten, Oboen und Klarinetten dienen der empfindsamen Ausdeutung der Stimmung. Fagotte und Violen erhalten neue Aufgaben (letztere z. B. im Duett „O Tod“). Die Kadenzen in den Arien werden nun nicht mehr „ad libitum“ den Sängern überlassen, sondern genau vorgeschrieben und von Instrumentalstimmen begleitet.

Für die distanzierte Beziehung zum religiösen Erlebnisbereich, wie sie für das Zeitalter des Josephinismus charakteristisch ist, mag auch die Übersetzung des Textes von Klopstock und Ebeling als Beispiel herangezogen werden. Van Swieten trug sie eigenhändig in die englische

Ausgabe von Randall & Abel (London 1767), die Mozart für seine Bearbeitung benutzte, ein. Die Uraufführung fand vor 185 Jahren, am 6. März 1789, im Palais des Grafen Johann Esterhäzy in der Schenkenstraße, statt, so daß das Konzert der Gesellschaft der Musikfreunde im Großen Musikvereinssaal (Orgelzy-klus) eine Art Jubiläum darstellt. Jubiläumsmäßig war auch die Besetzung des Solistenquarte'tts mit Edith Mathis, Birgit Finnilä, Peter Schreier und Theo Adam. Schöner und deckender könnte man diese kaum wünschen. Der ORF-Chor war freilich nicht in Höchstform, was vielleicht auf die etwas verwaschene Zeichengebung des Dirigenten Charles Mackerras zurückzuführen ist.

Im letzten Symphonikerkonzert im „ORF“-Sendesaal hörte man nach langer Zeit unverdienter Vergessenheit von dem einist sehr geschätzten Musikdramatiker Franz Schreker sein „Vorspiel zu einer großen Oper“. Es ist ein an Strauss' Orchesterpalette und an die Russen der Jahrhundertwende gemahnendes Werk mit kühner, aber tonal bleibender Modulation, das viel Eigenständiges des Komponisten Schreker, des Schöpfers mehrerer, einst vielgespielter Opern, enthält. In Edouard halos Cellokonzert mit den Vorzügen guter Konzeption, farbensatter Instrumentierung und reichen, melodischen Flusses spielte der vielversprechende Heinrich Schiff die dem Cello „ans Herz“ geschriebenen Kan-tilenestellen mit edlem Klang, das Finale mit technischer Brillanz. — Cesar Francks bekanntestes Werk, seine d-Moll-Symphonie, beschloß die Matinee. Sie trug dem in erfreulicher Verfassung musizierenden Orchester und dem vorzüglichen Nachvollzieher des Schaffens der drei aufgeführten Komponisten, dem Dirigenten Miltiades Caridis, verdiente Ovationen ein. ,

Musikverein, Philharmoniker, Wiener Festwochen, Bregenzer Festspiele ... Sie alle feiern Franz Schmidts 100. Geburtstag. Ein Auftakt dazu war die Aufführung seines Hauptwerks, des der Gesellschaft der Musikfreunde gewidmeten „Buchs mit sieben Siegeln“ im Musikvereinssaal. Und für alle, die dieses Werk lieben, wurde es zu einer Gedenkstunde für den vor kurzem verstorbenen Julius Patzak, der als Evangelist Johannes mit seiner Interpretation wohl Maßstäbe für alle weiteren Aufführungen gesetzt hat. Nun sang Waldemar Kmentt die Partie: Aber weder in den Stimmanforderungen noch in der Darstellung bewältigte er die Schwierigkeiten. Hochdramatisches blieb spannungslos, die großen Monologe wirkten flach und vielfach gebrochen, ja nicht einmal die Stimmittel reichten ... Allerdings litt diese Wieder T gäbe unter Carl Melles überhaupt unter zu geringer Präzision des ORF-Symphonieorchesters und unter stellenweiser Unsicherheit des Singvereins. Ein Lichtblick: die Solisten Arleen Auger, Margarita Lilowa und die Herren Schramm, Baillie und Bunger. Festlich eingestimmt wirkte an diesem Gedenkkonzert wirklich nur das applaudierfreudige Publikum.

Hervorragender Ruf ging den New Yorker Gregg-Smith-Singers voraus, die im ORF-Sendesaal einen Querschnitt durch die moderne Kammerchorliteratur boten: Das in den fünfziger Jahren gegründete Ensemble hat sich vor allem auf „multi-dimen-sionale“ Werke spezialisiert, das heißt, auf Kompositionen, die auf der Basis von Stereoeffekten durch Chorverteilung im Raum gearbeitet sind. Kleine Stücke von Lukas Foss, Charles Ives, Betsy Jolas, Earle Brown, „Leader“ Smith u. a. demonstrierten Varianten dieses Prinzips, das der Chor natürlich mit virtuoser Sicherheit vorführt: Der Zuhörer sitzt mittendrin in einem Klangbad, von allen Seiten von bald schwellendem, bald verebbendem Gesang umbrandet... Schwerer tun sich Gregg Smiths Leute, durchwegs Vokalsolisten von hoher Qualität, mit Schönberg. Allzu leicht geraten sie da bei den komplizierten Intervallen auseinander, die Tonhöhen wirken leicht verwischt. Die Verwendung einer „Leit“-Oboe, wie Schönberg sie selbst vorgeschlagen hat, wäre von Vorteü gewesen.

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