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Aus dem Konzertsaal

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Das Festkonzert am Vormittag des Staatsfeiertages wurde, im Großen Musikvereinsaal, von den Wiener Symphonikern unter der Leitung von Erich Leisndorf ausgeführt. Den letzteren muß man vorstellen, da er ein sehr selten«- Gast in Wien ist, obwohl hier (1912) geboren und von 1934 bis 1937 Assistent von Bruno Walter und Toscanini bei den Salzburger Festspielen. 1938 ging Leinsdorf in die USA, war eine Zeitlang Musikchef der Metropolitan Opera und wirkte danach als Gastdirigent, auch als ständiger künstlerischer Leiter mehrerer amerikanischer Orchester. — Auf dem Programm standen Joseph Haydns Symphonie N. 102 in B, die sogenannte „Zehnte Londoner“, den Beschluß bildete Beethovens Fünfte. Dazwischen spielte Rudolf Buchbinder den Solopart des Klavierkonzerts von Gott- fried von Einem. Es wurde 1956 unter der Leitung von Schmidt- Isserstedt mit Gerty Herzog aus der Taufe gehoben, die Wiener Erstaufführung Anno 1966 hat der Referent leider nicht hören können, und sein damaliger Vertreter schrieb, daß der Geist und Witz, der offensichtlich in dem dreisätzigen 20-Minuten-Stück steckte, durch das Linzer Bruckner- Orchester unter Kurt Wöss nicht recht zur Geltung gekommen seien. Nun, das ist auch den Wiener Symphonikern, die als versierte Einem- Interpreten gelten können, nicht gelungen. Also wird es wohl an dem Werk liegen, das ziemlich eindruckslos an uns vorüberplätscherte. Ein großer Vorzug: Einems Formen sind stets klar, nicht nur auf dem Papier übersichtlich, sondern auch mit dem Ohr prima vista klar erkennbar, und seine Orchesterbesetzung ist bescheiden. Der Klavierpart klingt zwar brillant, ist aber nicht oberflächlich-virtuos. Rudolf Buchbinder spielte sein Solo mit offensichtlichem Vergnügen und Sinn für die rhythmischen Kniffligkeiten der Einemschen Tonsprache. — Leinsdorf ist ein Mann der Disziplin, gelegentlich auch der großen Geste. Was er erzielte, war eine wenn nicht gerade festliche, so doch solide Interpretation der beiden bereits genannten „klassischen“ Werke. H.A.F.

Der erste Teil im Eröffnungskonzert des Symphoniker-Zyklus (Beethovens 2. Leonoren-Ouvertüre und die Symphonie Nr. 97 von Haydn) enttäuschte sehr: Colin Davis dirigierte mit gekünstelt wirkender, fast leichtathletischer Gestik, und gespielt wurde mit „dickem“ Klang; namentlich in den Geigen, die doch bei klassischer Musik die Hauptlast zu tragen haben, klang gar vieles „verwackelt“. — Nach der Pause trat Generalsekretär Peter Weiser vor das Publikum im Konzerthaus und gedachte David Oistrachs. Er wollte im Einvernehmen mit der Solistin Miriam Fried dem Dirigenten und seinem Orchester die auf dem Programm stehende Aufführung des Violinkonzertes von Sibelius dem Andenken des großen russischen Geigers gewidmet wissen. Die Qualität der Interpretation erwies sich dieser überraschenden Ankündigung immerhin für würdig. Die elfenhafte Israelin stellte sich durch große Selbstsicherheit und markigen Strich (namentlich auf der G-Saite) als legitime Schülerin ihres Lehrers und Förderers Isaac Stern vor und löste durch ihre Virtuosität eine kleine Sensation aus.

Zwei Ensembles, die man nicht zu den berühmten ausländischen zählen darf, eröffneten im Mozart-Saal internationale Kammermusikzyklen: Das „Tartini-Trio“ aus Laibach hat seine Möglichkeiten, scheint es, genau abgesteckt: Pflege der Klaviertrioliteratur ohne Starallüren, auf der Basis weitestgehender charakterlicher Ähnlichkeit und künstlerischer Gleichwertigkeit der Ausführenden; eine überragende dynamische Persönlichkeit fehlt. Beethovens Trio op. 11 war vom Klavier her im Tempo unruhig, dafür hatte Brahms’ op. 87, C-Dur, innere Spannung und das nötige romantische Feuer, und das e-Moll-Trio von Schostakowitsch — in seiner großen Trauer (1944 komponiert) ein echt russisches Stück im Geiste des „sozialistischen

Realismus“ — bildete mit unerbittlicher Strenge und Motorik den Schluß.

Eine freudige Überraschung bescherte allen Kammermusikfreunden das „Wilnaer Streichquartett". Es begann mit einem litauischen Zeitgenossen Mahlers, Mykolas Konstantas Tschiurlionis. Der Torso (es fehlt ein Finale) wies in seiner spätromanischen slawischen Farbigkeit die Litauer als einen wunderbar aufeinander eingespielten und abgestimmtes Ensemble aus, das außerdem über genügend Temperament und Esprit verfügt; das zeigte sich auch in Prokofieffs op. 50 und Ravels Streichquartett: dynamische Feinheiten, federnde Energie und sensibles, gelöstes Spiel verrieten die hohe Klasse der vier Künstler, denen man sehr gerne wieder begegnen möchte.

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