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Aus dem Untergrund

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Nach 25 Monaten unter sozialdemokratischer Regierungsführung ist in Israel seit kurzem der rechtskonservative Jizchak Schamir als Ministerpräsident wieder am Zug.

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Nach 25 Monaten unter sozialdemokratischer Regierungsführung ist in Israel seit kurzem der rechtskonservative Jizchak Schamir als Ministerpräsident wieder am Zug.

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Jizchak Schamir, Menachem Begins Notlösung, hat es wieder einmal geschafft und ist nun bereits fünf Wochen im Amt, um im Rahmen der Rotation zwei Jahre als Ministerpräsident der „Nationalen Einheitsregierung“ zu fungieren.

Jizchak Schamir ist nicht der Mann, der schnelle und einschneidende Entscheidungen treffen kann. Trotzdem war ihm das Glück in den ersten Wochen seiner Amtszeit hold. Er konnte mit Hilfe des Finanzministers den Schwesternstreik beilegen, ohne daß der Staat allzusehr finanziell belastet wurde. Es gelang ihm auch, Schimon Peres zu beschwichtigen, der nun seine Friedenspolitik fortzusetzen versucht.

Doch Schamir ist eben auch ein rechtskonservativer Ministerpräsident. Deswegen versprach er, in der ersten Phase seiner Amtszeit zehn von den 20 Neuansiedlungen, die der rechtsreligiöse Siedlungsblock Gusch Emunim fordert, aufzubauen. Denn an erster Stelle ist Schamir ein Anhänger der Groß-Israel-Idee.

Schamir stand seinerzeit an der Spitze der Lechi, einer Untergrundbewegung, die auch die Sternbande genannt wurde; nach dem Namen ihres Gründers Jair Stern.

Während des Zweiten Weltkrieges, als die gesamte jüdische Bevölkerung Palästinas an dem Kampf der Alliierten gegen den Faschismus teilnahm, schloß sich diese Untergrundbewegung Lechi von der jüdischen Öffentlichkeit aus, indem sie auch weiterhin die englische Mandatsmacht bekämpfte, um einen Judenstaat zu errichten. Die Lechi-Untergrund-bewegung, die auch in ihrer Blütezeit nicht mehr als 150 Mitglieder hatte, propagierte den persönlichen Terror gegen englische Polizeioffiziere, englische Polizisten und Kolonialbeamte. In ihren Augen war jeder Engländer ein Mitglied der Okkupationsarmee. Dadurch wurde diese Untergrundbewegung nicht populär und mußte sich nicht nur vor der englischen Mandatsmacht, sondern auch vor den jüdischen Mitbürgern verbergen.

Schamir, der damals an der Spitze der Lechi-Bewegung stand, galt als äußerst rücksichtslos, wenn er glaubte, daß einer der Untergrundmitglieder die Bewegung verlassen will oder eventuell die Gefahr bestehe, er würde sie verraten. Schamir setzte ein Feldgericht ein, das so manches ungerechte Urteil fällte — das immer ein Todesurteil war — und es auch ausführte. Jedenfalls, in zwei Fällen, hat Schamir zugegeben, daß er diese Todesurteile ausgeführt hat, was er heute allerdings am liebsten vergessen würde.

Schamir verbrachte fast 20 Jahre in Israels Geisterarmee, dem Geheimdienst. Nach langen Uber-legungen trat er 1970 auf persönliches Drängen Menachem Begins der damals oppositionellen Che-rut-Partei bei.

Begin stand seinerzeit an der Spitze der Etzel-Untergrundbewegung, die nicht bereit war, die Autorität der organisierten jüdischen Bevölkerung und ihrer Untergrundbewegung Haganah anzuerkennen. Die Haganah gebot seinerzeit (1936—39) Zurückhaltung gegen die arabische Bevölkerung. Die Etzel-Untergrundbewegung sah die Lösung der jüdisch-arabischen Konflikte in Racheakten gegen die arabische Bevölkerung.

Die Lechi-Gruppe spaltete sich von Etzel ab, weil sie den Kampf gegen die englische Mandatsmacht für ein unabhängiges Israel fortsetzen wollte. Lechi war sogar dazu bereit, Hilfe vom faschistischen Italien zu akzeptieren, in dem es damals noch keine Rassengesetze gab, das noch nicht antisemitisch war.

Inzwischen haben sich Begin und Schamir ausgesöhnt. Schamir wurde Begins Vertrauter. Er wurde direkt nach dem Wahlsieg des Likud Parlamentspräsident. Als Begins Außenminister Mo-sche Dayan zurücktrat, nahm er dessen Stelle im Kabinett ein.

1983 trat Menachem Begin völlig unerwartet von all seinen Funktionen zurück. Dies, nachdem er vom Architekten des Libanonkrieges, Ariel Scharon, belogen und betrogen worden war.

Obwohl Schamir innerhalb seiner eigenen Partei eine ziemlich schwache Position innehatte, wurde er auf Begins persönliches Betreiben als Ministerpräsident und Nachfolger eingesetzt.

Als 1984 Neuwahlen stattfanden, konnte der sozialdemokratische Maarach genauso viele Stimmen erhalten wie der Likud. Der kompromißbereite Schamir willigte zu einer Rotationsregierung ein.

Schamirs großer Kampf steht noch bevor. Um seine Ansied-lungspolitik durchzusetzen, muß es zum Konflikt mit der Arbeiterpartei kommen. Mehr noch, auch die Tagung der Cherutpartei steht vor der Tür, und dann wird sich erst herausstellen, wie weit Schamir innerhalb seiner Partei Fuß fassen kann.

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