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Aus der ersten Hauptstadt Österreichs

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In diesen Tagen setzt ein Grabungsteam des Landesmuseums für Kärnten zum ersten Mal den Spaten in jüngst aus Privatbesitz neuerworbenes Gelände auf dem Kärntner Magdalensberg. Auf jener 1.058 Meter hohen Erhebung über dem Zollfeld hat sich in spätkeltisch-frührömischer Zeit eine wahrscheinlich drei Quadratkilometer große, terrassenartig ansteigende Siedlung mit schätzungsweise 3.000 Einwohnern befunden. Unter der Leitung von Gernot Picco-tini werden dort die Archäologen nach jenen Gebäuden aus dem ersten Jahrhundert v. Chr. suchen, die die Südabgrenzung des auf allen vier Seiten umbauten Forums der römischen Händler gebildet haben.

Das in tausend Meter Höhe gelegene Forum -ein rechteckiger Platz von 114 Metern Länge und 52 Metern Breite, jetzt durch eine Autostraße erreichbar - bildete das Zentrum für die Kaufleute aus dem Süden. Bereits vor der friedlichen Landnahme des norischen Königreiches 14 bis 15 v. Chr. durch die Römer zugewandert, trieben sie einen schwunghaften Handel mit dem von den Kelten des Ostalpengebietes abgebauten Eisen, dem begehrten „ferrum Noricum", sowie mit Blei und Zink.

Auch der berühmteste aller Funde der Bergsiedlung, die lebensgroße Bronzestatue des „Jünglings vom Magdalensberg" stammt aus dem ersten Jahrhundert v. Chr. Ein Bauer fand sie 1502 im Bereich des Berggipfels, der damals noch nach der im 12. Jahrhundert über einem keltischen Heiligtum errichteten Kirche der heiligen Helena Helehenberg hieß. Von zwei italienischen Händlern dem keltischen Kriegsgott Mars Latobius verehrt, gelangte die Plastik bald nach ihrer Entdeckung nach Gurk und von dort nach Salzburg.

Ihr weiteres Schicksal liegt im Dunkeln. 1986 wurde nämlich durch technische Untersuchungen offenbar. daß die seit dem 19. Jahrhundert in der Antikensammlung des Kunsthistorischen Museums in Wien verwahrte Statue bloß eine im 16. Jahrhundert angefertigte Kopie des Jünglings ist. Das Original scheint König Ferdinand I. dem spanischen Königshof geschenkt zu haben, bis in das 19. Jahrhundert soll es in den Gärten des Schlosses von Aranjuez gestanden sein, seither ist es verschollen.

Sowohl der .Jüngling" als auch ein kurz danach geborgener Bronzegreif wiesen die Wissenschaftler schon in jenen Tagen auf die Bedeutung des Berges hin. Gezielte Grabungen fanden trotzdem erst im vorigen Jahrhundert durch den Geschichtsverein für Kärnten statt. Allerdings glaubte man, die Ruinen des Magda-lensbergs seien eine Villenkolonie der späteren römischen Provinzhauptstadt Virunum auf dem Zollfeld gewesen. Die seit 1948 alljährlich vom Land Kärnten finanzierten archäologischen Untersuchungen ergaben dagegen, daß die Stadt auf dem Berg älter ist als jene im Tal und daß sie als Vorgängersiedlung des Municipium Gaudium Virunum angesehen werden muß. Ja, die Forschungsergebnisse der letzten Jahre beweisen eindeutig: Die Bevölkerung vom Berg gab mit Ausnahme des Heiligtums auf dem Gipfel erst dann selbst die mit allem Luxus der Zeit ausgestatteten Gebäude dem Verfall preis, nachdem zu Füßen des Berges das neue Virunum planmäßig angelegt worden war.

Doch bevor es dazu kam - also zwischen 15. v. Chr, und 45. n. Chr. -hatte für die Bergsiedlung eine zwejp* Hochblüte begonnen. Rom vergalt damit den Norikern, sich anders als etwa die im Westen angrenzenden Räter und Vindeliker ohne lange und schwere Kämpfe ergeben zu haben. Es beließ den Norikern ihre Tradition, innere Stammeskultur und Identität.

So entstanden im Rahmen diesel-Zugeständnisse im Nordwesten beziehungsweise Westen des Forums der römischen Händler einerseits das Praetorium mit dem Sitz der römischen Verwaltung, andererseits das Repräsentationshaus, in dem die Abgesandten der norischen Stämme tagten - Fakten, aus denen die Wissenschaftler den Schluß ziehen, hier hätte sich die erste Hauptstadt des nachmaligen Österreich befunden.

Nun sind in den einst der Politik dienenden Räumen kleine Museen etabliert. Insgesamt gibt es 26 in konservierten Gebäuden untergebrachte Einzelmuseen für sc sehe und frührömische importierte Gläser, eir ''Bronzen, diversen Schmuck zen, Eisengeräte, Wandmalereien, Skulpturen, Grabsteine und Inschriften. Lediglich die 1964 entdeckten wertvollen Fresken, deren Bruchstük-ke Fachleute des Landesmuseums und Bundesdenkmalamtes in langjähriger Arbeit zusammengesetzt haben, sind auf dem Berg durch Kopien ersetzt. Die Originale befinden sich im Landesmuseum in Klagenfurt.

Die wissenschaftliche Bearbeiterin der Wandmalereien, Hedwig Kenner, datiert sie in die Zeit zwischen 20 und 15 v. Chr. und zählt sie dem ausgehenden zweiten pompejanischen Stil zu, was besagt, daß es sich hier um die ältesten Fresken des Ostalpenraumes handelt. Laut Kenner stellen sie eine Illustration zur Tragödie der Bacchen s Euripides dar. Von besonderer chönheiterweisen sich ein jugendli-freraronysos, eine Tänzerin und das' Bild der Iphigenia.

Erst seit kurzem ist in das jährlich von durchschnittlich 45.000 Besuchern besichtigte Ruinenfeld eine Freilandvitrine integriert. Sie birgtein Rekonstruktionsmodell sämtlicher bislang ausgegrabener offizieller und privater Gebäude einschließlich der Tabernen, Wohnhäuser, Magazine, Kontore und Werkstätten, wie sie sich um 45. n. Chr. präsentiert haben.

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