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Aus für General Stroessner ?

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30 Jahre regierte General Alfredo Stroessner Paraguay wenig angefochten. Jetzt kracht es im Gebälk seiner Herrschaft. Die Opposition erwächst aus seiner eigenen Partei.

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30 Jahre regierte General Alfredo Stroessner Paraguay wenig angefochten. Jetzt kracht es im Gebälk seiner Herrschaft. Die Opposition erwächst aus seiner eigenen Partei.

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Wie sieht es heute in Stroess-ners Reich aus? Hinter einer demokratischen Fassade (ja, es gibt Wahlen — sie werden zugunsten der Stroessner-Partei manipuliert; ja, es gibt ein Parlament - es ist dazu da, Stroessners Wünsche in Gesetze umzuwandeln, die Opposition, immer ein Drittel der Sitze, darf auch gelegentlich wirkungslos „nein“ sagen) regiert der Filz der Stroessner-Clique: Militärs, die Stroessner mit „Schmuggelkonzessionen“ wohl-stimmt; Großgrundbesitzer, die sich am Export der reichen landwirtschaftlichen und Edelholzressourcen (Kahlschlag!) bereiehern; diese wie auch die Handelsfirmen sind dem Ausland verpflichtet; Folge: ständiger Kapitalabfluß.

Das Ganze funktioniert, indem jeder Beamte und Staatsangestellte der Colorado-Partei (aus dieser alten konservativen paraguayischen Partei kommen Stroessner und seine Mannen) beitreten muß (der Parteiobolus wird gleich vom Gehalt abgezogen), und indem jegliche Opposition mit Gewalt erstickt wird. Nur ein Beispiel: Als Anfang Mai in der Universitätsklinik von Asun-cion für die Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohnes gestreikt wurde, kam sogleich die Polizei zur Belagerung. Sie sah tatenlos zu, wie der Bezirksvorsitzende der Colorado-Partei mit 200 Parteifreunden in die Klinik eindrang und mit Knüppeln und Kabeln „Ordnung“ schaffte. Der Vorsitzende, Ramon Aquino, nach dem „Einsatz“ stolz: Das habe den „kommunistischen Anstiftern“ des Streiks gegolten. Das Resultat: Verletzte und Panik in der gesamten Klinik. Im übrigen werden Regimekritiker eingesperrt oder des Landes verwiesen; eine halbe Million Paraguayer lebt im Exil.

Dennoch ist Stroessner derzeit in einer schwierigen Position. Das Wirtschaftswachstum, das ihm — weü er ein für Investitionen stabiles Klima schafft—immer die Zustimmung oder zumindest Duldung der Wirtschaftstreibenden im In- und Ausland sicherte, bleibt aus. Der Boom, den Stroessner durch den mit Brasilien errichteten Itaipu-Staudamm für sein Land erwartet und versprechen hatte, findet nicht statt. Die Arbeitslosenrate sank nur während der Bauarbeiten vorübergehend und liegt jetzt wieder bei 20 Prozent.

Jetzt wird die „alte“ Armut der noch immer zur Hälfte in der Landwirtschaft schlecht entlohnten Besitzlosen deutlich. Nichts hat sich daran geändert, daß fünf Prozent der Einkommenbezieher über 50 Prozent des Gesamteinkommens verfügen und 80 Prozent sich mit 30 Prozent begnügen müssen. Nichts hat sich daran geändert, daß zwei Drittel des reichen Viehbestandes (Export!) sich im Besitz von einem Prozent der Produzenten befinden und 90 Prozent der nutzbaren Wälder in Händen ausländischen Privatbesitzes (vor allem brasilianischen und nordamerikanischen) sind. Die „alte“ Armut, das Leben am traditionellen Existenzminimum, wird deutlich, auch wenn es in Paraguay wegen dls Ausbleibens der forcierten Industrialisierung kein Slumelend wie in so vielen anderen Dritte-Welt-Ländern gibt

Ein weiteres Problem für Stroessners Herrschaft ist die Kritik aus den Reihen der Colorado-Partei. Just der Sohn seines alten Kampfgefährten Tomas Ro-mero, Carlos Romero, ein Agronom aus dem ältesten Colorado-Adel, schart auf seinem Landsitz die Dissidenten um sich. Unter der Bewegung der „Eticos“ formulieren sie vorsichtig Vorwürfe gegen die Korruption und den moralischen Niedergang in der eigenen Partei. Stroessner reagierte scharf auf diese Anwürfe Romeros, der (noch) im Parteivorstand sitzt und dem Staatsrat angehört.

Auch die USA melden jetzt Vorbehalte gegen die Stroessner-Diktatur an. Der neue US-Botschafter Clyde Taylor demonstriert die zunehmende Ungeduld der Reagan-Administration, indem er enge Kontakte mit der illegalen Opposition in Asuncion pflegt. Ende Juli ließ der amerikanische Sonderbotschafter Robert Gelbard nach fünftägigen Konsultationen in Paraguay den Diktator wissen, daß die USA umfassende Liberalisierungen erwarte, daß die grundlegenden Menschenrechte wie Meinungs-, Presse- und Versammlungsfreiheit auch in dem seit Jahrzehnten im Ausnahmezustand regierten (er wird alle drei Monate erneuert und bei Wahlen für einen Tag aufgehoben, um der Verfassung Rechnung zu tragen) Paraguay gelten müßten.

Dennoch: General Stroessner steht zwar wie Chiles Pinochet ins Eck gedrängt, aber am Boden ist er ebenso wenig wie der Chilene. Wie wird also die Zukunft aussehen?

In der heftigen Debatte darüber wird häufig auf Haiti und die Philippinen hingewiesen. Werden US-Pressionen oder die Volksopposition den entscheidenden Stoß führen? Was die USA betrifft: Washingtons Eierköpfe haben aus dem Fall Nikaragua gelernt. Dort wurde der Somoza-Clan fast fünf Jahrzehnte lang bedingungslos gestützt—bis es für eine Opposition der demokratischen Mitte zu spät war und die radikalen Sandinistas den politisch-militärischen Sieg davontrugen, gemeinsam und getragen von der Volksopposition. Aus der Sicht der USA erfolgte in Haiti und auf den Philippinen die Korrektur rechtzeitig, vor einem totalen Bürgerkrieg. In beiden Fällen halten Ubergangsregierungen, zum Teil noch besetzt mit Technokraten der Diktaturen, die Stellung. Eine radikale Opposition, so die Sicht der USA, bekäme nur dann eine Chance, wenn die Ubergangsregierungen politisch und wirtschaftlich völlig versagten.

Ähnlich wünschen sich die USA eine Metamorphose in Paraguay (und Chile). Architekt dieser Politik für Lateinamerika ist der brillante Konservative Elliot Abrams, derzeit Vize-Außenminister für lateinamerikanische Fragen. Aus Washingtons Perspektive würde man sich damit begnügen, daß Stroessner bei den Wahlen 1988 (Pinochet 1989) nicht mehr kandidiert.

Aber es sieht nicht so aus, als würde Stroessner freiwillig auf seine Wiederwahl verzichten. Schon jetzt wird er einmal mehr als der Kandidat für die Präsidentschaftswahl in Paraguay heftig angepriesen. Mehr als drei Dekaden der Diktatur haben zudem die Parteienlandschaft völlig zersplittert und eine ganze Generation von Politikern (die heute Fünfzigjährigen) ausfallen lassen. Stroessner kann mit gemütlicher Hand regieren, und er gebraucht die Härte seines Repressionsapparates beim geringsten, kärglichsten Protest, sei es in kathoüschen Gruppen oder bei einer kleinen Radiostation. Und Stroessner möchte weitermachen.

Die USA wünschen jetzt aber eine kontrollierte Veränderung, vielleicht als Machtübergabe ä la Haiti an eine militärisch-zivile Junta, in der der genannte Carlos Romero von der Regierungspartei eine zentrale Rolle spielen könnte.

Da in Paraguay eine breite Volksopposition noch fehlt, versuchen Einzelkämpfer die Lage zu ändern. So flog — wie Aquino vor zwei Jahren auf den Philippinen-Ende Juni der exilierte Führer der verbotenen Authentischen Radikalliberalen Partei, Domingo Laino, in Begleitung von vier US-Freunden (unter ihnen der ehemalige US-Botschafter in Paraguay, Robert White) nach Asuncion. Laino und seine Begleiter wurden auf dem nach Stroessner benannten Flughafen von Asuncion verprügelt und postwendend wieder ins Flugzeug nach Montevideo geschubst.

So einfach ist eine gravierende politische Metamorphose eben auch nicht durch Elliot Abrams einzuleiten, wenn Stroessners über dreißig Jahre gemaschter Filz durchlöchert werden soll.

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