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Aus für Wagner ?

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Am Ausgang des Helenentales in Baden bei Wien steht inmitten eines sorgsam angelegten Parks mit teilweise exotischen Bäumen die 1885 von Otto Wagner erbaute Villa Hahn. Ein Gartenpavillon mit Glashaus ergänzt dieses Ensemble. Schauplatz großer Feste, Treffpunkt des Wiener Geldadels war dieses Sommerhaus des erstep Direktors der Länderbank, Ritter Samuel von Hahn, der einst im Mittelpunkt gesellschaftlicher Vergnügungen stand.

Die Familien Hahn, Mercedes-Jellinek und wie sie alle hießen, gibt es nicht mehr. Ihre Nachfahren wurden meist Opfer des Hitlerregimes. Die Villa verfällt. Ihre Wiederherstellung wird zwar von der Behörde gefordert und von den Politikern als notwendige kulturelle Verpflichtung erkannt, aber von den Vertretern des Eigentümers, der Pensionsversicherungsanstalt für Arbeiter (Niederösterreich), wird diese Forderung ignoriert.

Seit einigen Jahren ist in Niederösterreich ein neues Kultur-Bewußtsein zu verspüren, ein Hauch von kühner Phantasie, im Zuge der Entscheidung für die Landeshauptstadt werden neue Impulse gesetzt.

Samuel Hahn, am 15. Mai 1837 in Mähren geboren, war durch Zähigkeit . und Fleiß vom Oberinspektor der Südbahn zu einem der reichsten Männer der Monarchie aufgestiegen. Otto Wagner baute für ihn diese Villa im Jahr 1885 (nach den Villen Epstein und Ku-newalder). 1882 hatte er das Gebäude der Länderbank in der Hohenstaufengasse in Wien errichtet, zwischen 1894 und 1900 arbeitete er am Komplex der Wiener Stadtbahn. Architektonisch ist die Villa Hahn im Zusammenhang mit diesen Bauten zu sehen.

Anläßlich der großen Otto-Wagner-Ausstellung im Historischen Museum der Stadt Wien im

Jahr 1963 schrieb der Wiener Architekt Herbert Prader: „Nun, da der große Otto Wagner iang genug gestorben ist, nun, daß ein Lippenbekenntnis zu ihm keine Konsequenzen, keine Taten mehr fordert, ehrt man ihn. Das tragische Mißverständnis, das diesen größten Architekten des Österreich der Jahrhundertwende zeit seines Lebens verfolgte, tritt damit in ein neues Stadium: Durch eine Lippenbegeisterung für das Werk des Toten sucht man sich vielerorts von der schuldhaften Ignoranz gegenüber den heutigen Problemen des Bauens zu exkulpieren.“

Heute scheint man bei der Villa Hahn in Baden einen Schritt weiter zu gehen: Wagner soll in Baden ausgelöscht, sein hoher Anspruch an die Architektur verwischt werden. Der Verdacht entsteht, daß dieses Land keine Vorbilder im Geiste von Wagner und Samuel von Hahn braucht.

Die Gäste sind gegangen — muß auch Otto Wagner gehen?

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