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Aus Liebe zur Kirche

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Dieser Beitrag widerspricht zwar nicht dem Evangelium, wohl aber der gegenwärtigen Disziplin der römisch-katholischen Kirche. Wir bitten alle, die darin ein Fundament der Kirche erblicken, aufrichtig um Nachsicht: Die Veröffentlichung erfolgt wirklich nicht zum Zweck der Provokation. Aber darf die FURCHE ein Schreiben wie dieses in den Papierkorb werfen, wenn der Verfasser, ein brasilianischer Jesuit, 1963 bis heute mit Hingabe in der Indianerpastoral arbeitet (auch wenn er seit drei Jahren verheiratet ist)?

Das Thema verheiratetes Priester-tum in der römisch-katholischen Kirche kann man nicht anders als im Gesamtzusammenhang der heutigen Realität von Priestertum, Kirche und Volk sehen. Situation und Bedürfnisse der rund 160 Indianervölker und der -zig-tausend kleinen christlichen Gemeinden in Brasilien können uns helfen, diese Problematik zuversichtlich zu betrachten.

Aus den großen Schwierigkeiten, denen sich das Volk hier in Brasilien täglich gegenübersieht, wächst die Hoffnung, daß die Kirche, die sich immer mehr auf die Seite der Armen stellt, auch ihre eigenen Probleme mit evangelischem Mut wird lösen können.

Im Amazonasgebiet besteht der Klerus heute zu mehr als 80 Prozent aus Ausländern. Mehr als 95 Prozent der Priester sind nicht in Amazonien geboren.

Kein einziger von ihnen ist Indianer, was an sich den gesunden indianischen Widerstand gegenüber dem kulturellen Eindringen der Weißen bezeugt - da ja in der jetzigen Situation keiner von ihnen Priester sein könnte, ohne aufzuhören, ein Indianer zu sein. ,

Solange das Priesteramt ausschließlich Zölibatären vorbehalten bleibt, führt dieses System zur schrittweisen Elitisierung der Kirchenleitung und verringert die Möglichkeiten einer wirklichen Teilnahme des Volkes am Leben der Kirche.

Schließlich ist auch zu bedenken, daß der Zölibat historisch sehr viel dazu beigetragen hat, daß die Güter, die sich bei der Kirche als Institution im Lauf der Jahrhunderte gesammelt haben, nicht wieder in Umlauf kamen. Ein verheiratetes Priestertum als Alternative wäre unter anderem auch ein Weg, diese Güter teilweise wieder ins Volk zurückzubringen.

Ein traditionelles Argument für den zölibatären Klerus ist seine größere Verfügbarkeit und Einsatzfähigkeit -ein Mythos, der sich durch die derzeitige Bürokratisierung der Kirche, die Versakramentalisierung der Seelsorge und der Lähmung der Priester durch deren Teilnahme an der offiziellen Ver-schulung der Gesellschaft als widerlegbar entpuppt. i

Dazu kommt, daß der große Priestermangel eine täglich stärker werdende Konzentration der Priester auf

große Zentren nach sich zieht, wo zwar die Institutionen der Kommunikation stärker ausgebildet sind, die Distanz zum einzelnen aber immer größer wird. Die Hoffnung der vielen kleinen christlichen Gemeinden auf eigene Priester und Meßfeiern wird dadurch immer mehr zunichte.

Niemals haben wir daran gedacht, die umfassende Aufhebung des Zölibats oder gar des Lehramtes der Kirche zu verlangen. Im Gegenteil: Wir sehen im verheirateten Priester einfach eine belebende Alternative, die dazu beitragen könnte, daß die Priester, die sich weiterhin dem Zölibat verpflichten, wieder ihre wahren Aufgaben wahrnehmen und den richtigen Platz in der Kirche einnehmen können.

Schon zweimal wurde das Thema verheiratete Priester in der brasilianischen Bischofskonferenz erörtert. In beiden Fällen sprachen sich die Bischöfe mehrheitlich für die offizielle Anerkennung des verheirateten Priesters als mögliche Alternative aus. Beide Male sagte Rom nein dazu.

Vor kurzem erfuhr ich, daß auch die Bischofskonferenz von Paraguay an den Vatikan ein Ansuchen um Erlaub-

nis der Ausübung* des Priesteramtes durch Ehemänner, zumindest im Bereich der Indianervölker, gerichtet hat. Bisher wurde darauf nicht geantwortet.

Das verheiratete Priestertum hat in der katholischen Kirche eine längere Geschichte als das zölibatäre. In Brasilien waren bis in die ersten Jahrzehnte des vergangen Jahrhunderts hinein die einheimischen Priester im Regelfall verheiratet. Erst aus Italien kommende Ordensleute haben mit dieser Praxis Schluß gemacht.

Alle stimmen theoretisch darin überein, daß ein kleiner Ort, eine kleine Gemeinde im Amazonasgebiet das gleiche Recht auf wöchentliche Meßfeier wie die Bevölkerung etwa von Säo Paulo hat. In Wirklichkeit wird dieses Recht zur Utopie, wenn es bei der Forderung nach Eliteausbildung und Pflichtzölibat für Priester bleibt.

In aller Welt betet die Kirche um Priesternachwuchs. Leider ist unsere Gebetshaltung oft passiv: Wir warten, daß Gott das Problem für uns löst. Diese Einstellung verhindert, daß wir uns vertrauensvoll der Stimme des Heiligen Geistes öffnen, der uns anspornt, neue Wege zu suchen.

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