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Ausbruch aus der Mutlosigkeit

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Was an Musikprominenz gut und teuer ist, paradierte nach alter Tradition beim Salzburger Festspielfinale, ließ beim Publikum die Flaute der Orchesterkonzerte der vergangenen Wochen, die phantasie-und mutlosen Programme einigermaßen vergessen. Den prunkvollen Abschluß bescherte natürlich Herbert von Karajan mit seinen Berliner Philharmonikern und dem Wiener Singverein: Beethovens „Neunte“ in einer glanzvollen Aufführung, von Karajan ungernein intensiv gestaltet, vom Orchester brillant gespielt, vom Chorchef Hellmuth Froschauer penibel studiert... Eine um so interessantere Wiedergabe, als man deutlich den Entwicklungsbogen merkte, den Karajan seit seiner letzten Salzburger „Neunten“, bei den Osterfestspielen vor fünf Jahren, durchmessen hat. Die Leidenschaft für glatte Orchesterbravour von damals ist einer sehr persönlichen Deu-

tung gewichen, seine Distanz zum Werk einem Eintauchen in die Klangwelt Beethovens. Anna Tomo-wa-Sintow, Agnes Baltsa, Peter Schreier und Jose van Dam ergaben ein beispielhaft homogenes Solistenquartett.

Eine Uraufführung, und zwar Gerhard Wimbergers „Plays“, betreute ebenfalls Karajan. Er selbst hatte den Komponisten zu dieser Arbeit für die zwölf Cellisten der Berliner Philharmoniker angeregt. Allerdings ist Wimberger, der übrigens Direktoriumsmitglied der Salzburger Festspiele ist, bloß ein recht oberflächliches Stück gelungen: vier Sätze, stilistisch etwas uneinheitlich; einer, „Nostalgie“ benannt, sortiert historische Musikzitate, ohne daß dafür ein logischer Grund besteht oder eine konsequente Verarbeitung gelang; ein weiterer Satz erscheint als bloße Studie über rhythmische Modelle; das Finale schließlich donnert

als Swing daher, und man weiß nicht recht, warum. Es könnte ebensogut ein Tango oder ein Trauermarsch sein. Man kann Wimberger zwar nicht geschickte Instrumentation absprechen, aber die, für die „Plays“ geschrieben wurde, die zwölf Cellisten also, scheinen stellenweise schlecht bedient zu sein.

Auch Karl Böhm und Claudio Abbado, beide mit den Wiener Philharmonikern, waren im Konzertfinale vertreten. Beide übrigens mit Brahms (Böhm mit der „Zweiten“). Abbado dirigierte neben Mahlers „Vierter“, die sehr oberflächlich verspielt geriet, das d-Moll-Konzert von Brahms, Maurizio Pollini interpretierte es. Ganz unromäntisch, hart konturiert, ein Block voll innerer Spannungen und Stauungen, brodelnd wie ein Vulkan. Wobei die „Wiener“ in der Konzeption eigentlich recht zaghaft folgten. Besonderen Eindruck hinterließ Pollini allerdings mit seinem Beetlioven-Soloabend (Sonaten D-Dur Opus 28; f-Moll, Opus 57; c-Moll, Opus 111; sechs Bagatellen, Opus 126); entschlackte Wiedergaben von unbeschreiblicher Schönheit, Klarheit und Durchsichtigkeit, die Stimmen im Idealmaß klassischer Proportionen ausschwingend; wobei es' Pollini überzeugend gelingt, die Vielfalt der Details herauszuarbeiten und dennoch über weite Strecken wirkende Beziehungen spür- und hörbar zu machen.

Nicht vergessen darf man Christa Ludwigs Liederabend mit Alban Bergs „Vier Liedern“ (Opus 2) und den „Sieben frühen Liedern“ (1905/08), in denen sie sich erneut als eine der imponierendsten Gestalterinnen auswies. Geschmeidigkeit des Materials, Wärme des Timbres, die Tiefe in der psychologischen Darstellung ist einsame Klasse. So muß man Berg vortragen.

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