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Ausgereifter „Othello“

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Im Alter von 74 Jahren schrieb Giuseppe Verdi seine Oper „Othello“. Die Premiere im Großen Haus des Innsbrucker Theaters zeigte, daß das Werk, welches sofort nach seinem Entstehen stürmisch gefeiert wurde, auch heute noch nichts von seinem Glanz eingebüßt hat. Shakespeares dramatischer Stoff, von Arrigo Boito behutsam und doch im Geist der Zeit der Spätromantik bearbeitet, war die ideale Vorlage für eine Oper, in der die herkömmliche Form des Musiktheaters, sicher auch unter dem Einfluß Wagners, aber eigenständig aufgelöst wird zugunsten eines Musikdramas, in dem die ariosen Melodien dauernd das dramatische Geschehen vorantreiben, sich ihm aber wiederum vollständig anpassen.

Die Innsbrucker Aufführung wandte der Textgestaltung besondere Aufmerksamkeit zu. Intendant Helmut Wlasak, der wie immer sorgfältig und souverän Regie führte, brachte das Libretto auf der Grundlage der, Katbeckschen und der Fel-sensteinschen Fassungen in möglichste Nähe zu Shakespeare. Ferner blieb das große dritte Finale ungestrichen, obwohl es hohe Anforderungen an die Sänger stellt. Damit erfüllte man den Wunsch Verdis, der das Finale unter keinen Umständen geändert sehen wollte.

Edgar Seipenbusch ISeß mit seinem konzentriert arbeitenden Orchester die großen musikalischen Linien deutlich werden. Die dramatische Verarbeitung der Motive in der raffinierten und ungeheuer wirkungs-

vollen Partitur führte in dieser Aufführung zu einer steten Steigerung. Trotz aller Entfaltung des Klangvolumens nahm Seipenbusch in den entscheidenden Augenblicken auf die Sänger Rücksicht. Manfred Moille ließ als Othello mit seiner dramatischen Stimme und seinem schauspielerischen Können die Leidenschaft des in seiner Substanz bedrohten Außenseiters aufscheinen. Die lyrischen Stellen liegen ihm vielleicht etwas weniger als die dramatischen, in denen er brillierte. Max Hechen-leitner als Jago war dem Othello wenigstens ebenbürtig. Schon sein Credo überzeugte stimmlich und im Ausdruck ganz. Desdemona wurde in der Premiere von Leslie Johnson sicher und überlegen gesungen. Der innige Ausdruck ihrer lyrischen Stimme kam besonders im vierten Akt zum Tragen. Linda Trotter, die dieselbe Partie in der zweiten Aufführung sang, mag wohl als gleichwertig bezeichnet werden, war jedoch mit der Rolle, die Frau Johnson schon in anderen Aufführungen sang, weniger vertraut. Enülia fand in Gertraud Eckert eine glanzvolle Besetzung. Lobend zu erwähnen sind auch Martin Meier (Cassio) und Helmut Holzapfel (Rodrigo). Der Chor, den Karl Horst Wichmann und Tibor Töth einstudiert hatten, brachte eine gute Leistung. Brigitte Schmuck sorgte für die schönen Kostüme. Das konventionelle, aber geschmackvolle Bühnenbild schuf Hansjörg Stock. Insgesamt eine gelungene und vom Publikum mit Recht gefeierte Inszenierung.

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