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Aushöhlung des Terrors mit Friedensprozeß

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Wieder Nahost-Friedensgespräche in Washington, die neunte Runde.'Ohne sichtbare Fortschritte ist eine Katastrophe vorausprogrammiert, meint Ägyptens Botschafter in Tel Aviv.

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Wieder Nahost-Friedensgespräche in Washington, die neunte Runde.'Ohne sichtbare Fortschritte ist eine Katastrophe vorausprogrammiert, meint Ägyptens Botschafter in Tel Aviv.

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FURCHE: Wie beurteilen Sie den Stand des Friedensprozesses?

MOHAMMED BASSJOUNI: Wir setzen jetzt auf die neunte Runde der Friedensgespräche, die am Dienstag, 27. April, in Washington begonnen hat. Wir sind der Ansicht, daß wir, wenn wir verhandeln, vielleicht zu einem gegenseitigen Verständnis kommen können. Wenn wir nicht verhandeln, ist es unmöglich, irgendein Abkommen zu erreichen.

FURCHE: Was haben die Israelis, was die Araber falsch gemacht?

BASSJOUNI: Ich kann Ihnen nur sagen, was sie richtig und nicht, was sie falsch gemacht haben, weil ich Optimist bin und immer das Positive sehe. Auf israelischer Seite ist eine neue Regierung ans Ruder gelangt und diese ist im Gegensatz zur vorherigen Likud-Regierung zu territorialen Kompromissen bereit. Dies ist einer der wichtigsten Elemente, um jeglichen Disput zu beenden. Wir benötigen drei Komponenten: Land, Frieden und Sicherheit. Wenn Sie eine dieser Komponenten weglassen, besteht keine Aussicht auf Frieden.

Die Bereitschaft der Regierung zu territorialen Kompromissen ist schon ein positiver Faktor. Die frühere Li-kudregierung war gegen territoriale Kompromisse. Aber wie kann man Frieden erreichen, wenn man das okkupierte Land behalten will? Die arabische Seite wiederum war zum ersten Mal zu Direktverhandlungen und zur Berücksichtigung von israelischen Sicherheitsvorstellungen bereit. Das sind die positiven Ausgangspunkte beider Parteien.

FURCHE: In den besetzten Gebieten leben etwa 120.000 israelische Neusiedler. Bis dato plant Israel keine Aussiedlung. Wie kann eine junge palästinensische Autonomie funktionieren, wenn sie keinerlei Autorität über diese Leute besitzt. Wenn Neusiedler ein Verbrechen verüben oder auch nur einen Autounfall bauen, kann ein palästinensischer Polizist nicht einmal intervenieren.

BASSJOUNI: Nachdem wir ein Abkommen über die Autonomie erzielt haben, benötigen wir noch eine Koordinierungskommission zwischen der neugewählten palästinensischen Verwaltung und der israelischen Regierung, um solche Probleme zu lösen, wobei zu berücksichtigen ist, daß ein Teil der Probleme nicht mit dem Autonomieabkommen gelöst wird, das nur für eine Übergangszeit von fünf Jahren besteht. Erst bei den endgültigen Abkommen wird alles seine Lösung finden. Während der ersten drei Jahre der Autonomie werden wir bestimmt auch Verbindungsoffiziere zwischen der palästinensischen Autonomie und der israelischen Regierung benötigen, um solche und ähnliche Probleme zu lösen.

FURCHE: Was soll mit den Diaspora-Palästinensern geschehen?

BASSJOUNI: In dieser Phase der Friedensgespräche, die sich vorläufig auf die Übergangszeit der Autonomie beziehen, befassen wir uns nur mit den Palästinensern der besetzten Gebiete, wie es das Rahmenabkommen von Madrid festlegt. Zur gleichen Zeit ist bei den multilateralen Gesprächen eine besondere Kommission für Flüchtlinge gebildet worden - und dort können wir über sie diskutieren. Für die endgültige Lösung des arabischisraelischen Konflikts müssen wir das Palästinenserproblem in allen seinen Aspekten sehen und lösen - das heißt die Probleme der Palästinenser inner-und außerhalb Palästinas. Dies wird jedoch erst in der zweiten Phase der Friedensverhandlungen zur Sprache kommen.

FURCHE: Kann der Friedensprozeß vorankommen, wenn der Terror wütet und sich sogar verschärft?

BASSJOUNI: Das wichtigste ist, die Verhandlungen fortzusetzen, denn wenn wir zu einem Übereinkommen gelangen, wird es keinen Terror mehr geben und keine israelischen Reaktionen darauf. Wenn wir jedoch die Gespräche abbrechen, wird der Terror weitergehen, die Situation sich verschlimmern.

FURCHE: Meinen Sie, daß sich mit der Abriegelung der besetzten Gebiete schon eine neue Ära ankündigt? Was folgt danach?

BASSJOUNI: Es ist das Ziel, die Okkupation loszuwerden. Das muß jedoch allmählich erreicht werden. Sie können nicht einfach die besetzten Gebiete abriegeln, ohne die Bevölkerung auf einen solchen Schritt vorzubereiten. 120.000 Palästinenser kamen täglich nach Israel. Das bedeutet auch 120.000Familien, die von der Arbeit in Israel leben. Man kann diese Leute nicht einfach von ihren Arbeitsplätzen zurückschicken, sondern muß für sie neue Arbeitsplätze schaffen - und erst dann kann man zu einem Abkommen über den Abzug aus den besetzten Gebieten kommen.

FURCHE: Ungefähr 40 Prozent der Palästinenser sollen mit dem Fundamentalismus sympathisieren. Das bedeutet eine große Gefahr für Israel. Auch Ägypten kennt diese Gefahr. Wie kann man den islamischen Fundamentalismus bewältigen?

BASSJOUNI: Zwei Dinge: den Friedensprozeß fortsetzen, den Palästinensern neue Hoffnung für ihre Zukunft geben, denn Verzweiflung ist der Boden, auf welchem der Fundamentalismus gedeiht. Zweitens:

die Armut. Geben Sie den Palästinensern insbesondere im Gazastreifen Arbeit - und Sie werden sehen, die Fundamentalisten werden keinen Zulauf mehr bekommen.

Bei den multilateralen Gesprächen wurde unter anderem erwähnt, wie man im Gazastreifen einen neuen Tiefseehafen errichten, neue Bewässe-rungs- und Entsalzungsanlagen bauen, neue Fabriken installieren und so der Bevölkerung neue Arbeitsplätze beschaffen könnte, sodaß die Arbeiter, wenn es in den besetzten Gebieten neue Erwerbsmöglichkeiten gibt, nicht täglich nach Israel fahren müssen. Ich möchte betonen, daß bei der Eröffnung der Madrid-Konferenz Tausende Palästinenser auf die Straßen gegangen sind, um für den Friedensprozeß zu demonstrieren. Erst als dieser zum Stillstand kam, legte sich die Begeisterung und verwandelte sich langsam in Verzweiflung.

Wir haben nur eine Möglichkeit: schnell den Friedensprozeß voranzutreiben, schnell etwas zu erreichen und den Palästinensern Hoffnung geben, daß ihre Probleme gelöst werden. Die neunte Runde in Washington muß die letzte sein, die so lange andauern soll, bis wir ein Übereinkommen erzielt und Fortschritte gemacht haben. Wenn wir bei dieser Gesprächsrunde nichts erreichen, bedeutet das eine Katastrophe für alle Gesprächspartner. Bei Fortschritten können Sie sich davon überzeugen, daß 99 Prozent der Palästinenser ihre Verhandlungsdelegation und den Frie-densprozeß unterstützen.

Das Gespräch führte Schraga Har-Gil.

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