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Ausreden, frisch geölt

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In den Anfängen der Automobilistik mußte man das Benzin in Apotheken kaufen. Dem sicheren Vernehmen nach werden wir es auch künftig an Tankstellen erhalten, allerdings zu Apothekerpreisen.

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In den Anfängen der Automobilistik mußte man das Benzin in Apotheken kaufen. Dem sicheren Vernehmen nach werden wir es auch künftig an Tankstellen erhalten, allerdings zu Apothekerpreisen.

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Daß sich Österreich bei dem neuerlichen Preisklettern der öl-produkte nicht ausschließen kann, war zu erwarten. Lagen wir nach der Benzinpreiserhöhung im Herbst zunächst ziemlich an der europäischen Spitze, so sind wir inzwischen wieder ins untere Feld abgerutscht. Es wäre nur wünschenswert, daß wir im Übereifer nicht gleich neuerlich in Spitzenregionen vordringen.

Nicht nur die multinationalen Erdölgesellschaften, deren Kalkulationen in letzter Zeit manchen Schönheitsfehler aufwiesen, verlangen höhere Preise, sondern auch die staatliche Mineralölverwaltung

(ÖMV) versichert, gegenwärtig mit Verlusten zu arbeiten. Den Forderungen von dieser Seite kann sich der Handelsminister auf die Dauer nicht verschließen, ohne mit dem Kollegen in der Himmelpfortgasse in Konflikt zu geraten.

Von der Opposition wird beantragt, durch Senkung der Mineralölsteuer und/oder der Umsatzsteuer den Preisanstieg für den Konsumenten wenigstens teilweise zu kompensieren. Hier sollten wir aber stärker differenzieren. Hinsichtlich des Ofenheizöls ist eine massive Reduktion der Steuerlast ein unbedingtes soziales Gebot. Sind es doch ganz besonders Pensionisten, die stich in den letzten Jahren auf die weiland relativ billige Ölheizung umgestellt haben und die wegen des Kohlen-schleppens schon rein physisch nicht mehr imstande sind, zur Heizung mit festen Brennstoffen zurückzukehren. Daß daher ihretwegen die Heizkosten niedrig gehalten werden müssen, liegt auf der Hand. Darüber hinaus ist die Heizung ein Grundbedürfnis, Heizmaterial daher eine Sozialpflichtige Ware, die allen erschwinglich bleiben muß.

Anders sieht es beim Treibstoff aus. Gewiß ist auch das Auto heute für viele Menschen unentbehrlich geworden, aber es müßte ndoht in dem Umfang benützt werden, wie dies heute vielfach der Fall ist Wenn also Preiserhöhungen die Fahrfreude ein wenig dämpften, so wäre dies volkswirtschaftlich sowie auch verkehrstechnisch erfreulich.

Die Verteuerung des Erdöls bedingt nämlich, daß sämtliche OECD-Staaten im Jahr 25 bis 30 Milliarden Dollar mehr für dessen Import aufwenden müssen. Österreich allein wird 6 bis 7 Milliarden Schilling mehr als bisher an die ölproduzen-ten zahlen müssen. Diesen Betrag durch geringen Verbrauch einzusparen, wäre nationalökonomisch ideal, speziell deshalb, weil unsere Außenhandelsbilanz ohnehin immer tiefer in die roten Zahlen gerät. Realisten wären schon zufrieden, wenn der Verbrauch zumindest um einen Teil des genannten Betrags reduziert werden könnte.

Werden die Österreicher durch höhere Benzinpreise von der exzessiven Benutzung des vielgeliebten Autos abgehalten werden können? Wohl kaum, wenn die Inflation auf breiter Basis weitergeht und der Kostensprung bed Benzin damit wieder weitgehend verwischt wird. Inflation macht kostenunemp-flndlich, ja verleitet die Menschen dazu, ihr Geld möglichst leicht und schnell wieder auszugeben. Die Reduktion der Inflationsrate, nicht deren Beschleunigung, welche das Wirtschaftsforschungsinstitut allzu eilfertig prognostiziert hat, wäre das Gebot der Stunde.

Mit solchen Prognosen sollte viel vorsichtiger umgegangen werden, tendieren sie doch dazu, „self-fulfll-Hng prophecies“ zu werden, dadurch nämlich, daß die prognostizierte Inflationsrate dann als unabwendbares Schicksal hingenommen wird und speziell die Politiker nichts mehr unternehmen, um diese enorme Rate zu senken, ja sich eitel Selbstlob spenden, wenn sie diese nicht allzu sehr überschreiten.

Besonders die Verteuerung des Erdöls ist das ideale Alibi unserer Politiker dafür, daß die Inflation importiert sei, sie selbst aber rein gar nichts dafür könnten. Solange sie anhält, werden ihre Ausreden buchstäblich immer frisch geölt sein.

Gewiß, die Breitenwirkung der ölhausse ist groß. Sie verteuert nicht nur das Autofahren, sondern macht sich in allen Sparten der Wirtschaft bemerkbar. Dennoch ist sie alles in allem nur an einem Teil der Inflationsrate schuld. Deren Senkung wäre daher trotz den steigenden Erdölpreisen durchaus möglich.

Österreich ist darüber hinaus in weit geringerem Ausmaß als die meisten anderen europäischen Staaten bei der Deckung seines Energiebedarfs vom Erdölimport abhängig,nicht nur weil wir selber ein paar Ölquellen haben, sondern in erster Linie, weil nur ein Bruchteil unserer elektrischen Energie aus ölkraft-werken stammt und viele unserer ölkraftwerke nötigenfalls auf andere Brennmaterialien kurzfristig umgestellt werden können. Während die Schweiz nicht weniger als 80 Prozent ihres gesamten Energiebedarfs durch den Import von Erdöl decken muß, Italien und Japan dies zu je 78 Prozent tun müssen, und Frankreich zu 68 Prozent davon abhängt, beträgt die Abhängigkeitsquote Österreichs nur 43 Prozent.

Die Erdölimporte schlagen somit bei uns viel weniger zu Buch als in den meisten anderen Staaten. Wenn also, was unter diesen Umständen als selbstverständlich vorausgesetzt werden müßte, die Inflationsrate Österreichs in diesem Jahr unter dem europäischen Durchschnitt bleiben sollte, so ist das noch lange keine wirtschaftspolitische Leistung, auf die wir stolz sein können, sondern nicht zuletzt eine Folge unserer geringeren Importabhängigkeit auf dem Energiesektor.

Nicht nur für Österreich, sondern für sämtliche Industriestaaten ist es aber auf alle Fälle von essentiellem Interesse, daß die Erdölpreise nicht weiter steigen, sondern eher herabgesetzt werden. Dies aber hängt in erster Linie von der Höhe des globalen Verbrauchs ab.

Nach dem ersten Schock wird nunmehr die Ölkrise von vielen Seiten bagatellisiert, als großer Bluff bezeichnet. Gewiß, sie wurde manipuliert und damit übersteigert, aber sie ist trotzdem ein Faktum. Die Relation Angebot—Nachfrage ist sehr prekär geworden, jeder zusätzliche Nachfrageimpuls kann neuerlich zu einem Verkäufermarkt und damit zu steigenden Preisen führen. Nur wenn die Industrieländer Erdöl sparen lernen, können sie damit rechnen, dieses immer kostbarer werdende Rohmaterial noch auf längere Frist zu wieder einigermaßen stabilisierten Preisen zu erhalten.

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