6829207-1974_29_01.jpg
Digital In Arbeit

Ausreden-Programm

19451960198020002020

Österreich hat es endlich geschafft. Allen indexkosmetischen Abwehrmanövern zum Trotz hat unsere Inflation nun doch die 10-Prozent-Hürde souverän genommen. Gegenüber dem Vorjahr lag der Preisindex im Juni um 10,2 Prozent höher. Wir gehören nun jener gehobenen Klasse von Inflationisten an, die mit zweistelligen Teuerungsraten aufzuwarten haben.Natürlich fehlt es nicht an Ausreden für diese Negativleistung unserer Wirtschaftspolitik: Wir lägen noch immer im europäischen Mittelfeld der Inflation, diese sei schließlich einer Arbeitslosigkeit vorzuziehen, an allem sei nur die importierte Inflation schuld usw. Daß nach Berechnungen der Wirtschaftsforscher weniger als ein Drittel der Inflationrate auf die Importe entfallen, der Rest aber solide Hausmannskost ist, bleibt bei solcher Argumentation lieber unerwähnt.

19451960198020002020

Österreich hat es endlich geschafft. Allen indexkosmetischen Abwehrmanövern zum Trotz hat unsere Inflation nun doch die 10-Prozent-Hürde souverän genommen. Gegenüber dem Vorjahr lag der Preisindex im Juni um 10,2 Prozent höher. Wir gehören nun jener gehobenen Klasse von Inflationisten an, die mit zweistelligen Teuerungsraten aufzuwarten haben.Natürlich fehlt es nicht an Ausreden für diese Negativleistung unserer Wirtschaftspolitik: Wir lägen noch immer im europäischen Mittelfeld der Inflation, diese sei schließlich einer Arbeitslosigkeit vorzuziehen, an allem sei nur die importierte Inflation schuld usw. Daß nach Berechnungen der Wirtschaftsforscher weniger als ein Drittel der Inflationrate auf die Importe entfallen, der Rest aber solide Hausmannskost ist, bleibt bei solcher Argumentation lieber unerwähnt.

Werbung
Werbung
Werbung

Außerdem gibt es noch einen speziellen Sündenbock: die bösen Saisonwarenpreise, die von Mai bis Juni um ganze 22,5 Prozent hinaufkletterten. Verschwiegen wird allerdings, daß die Saisonwarenpreise im Mai besonders niedrig lagen und deren Vorjahresabstand im Juni noch immer erst 6,8 Prozent ausmachte, also weit unterdurchschnittlich war.

Wie fadenscheinig alle diese Ausflüchte sind, beweist die Tatsache, daß unser Haupthandelspartner, die Bundesrepublik Deutschland, seine Jahresinflationsrate von 7,2 Prozent im Mai auf 6,9 Prozent im Juni senken konnte, obwohl ihn Probleme wie steigende Saisonwarenpreise und Inflationsimport genauso treffen wie Österreich. Die Divergenz der Preisentwicklung muß daher doch andere Gründe haben.

Gerade auf die importierte Inflation sollten sich unsere Wirtschaftspolitiker in Anbetracht der Tatsache nicht allzu vehement berufen, daß die Mehrheit unserer Importe aus der Bundesrepublik stammt, wir also mehr als andere europäische Staaten an deren relativer Stabilität partizipieren.

Im Hinblick auf die jüngste wirtschaftspolitische Debatte ist es darüber hinaus bemerkenswert, daß gerade die in der Inflationsbekämpfung relativ erfolgreiche Bundesrepublik keine Preiskontrollen durchführt, während hingegen eifrig kontrollierende Staaten hohe Inflationsraten aufweisen. Eine schlechte Währungspolitik läßt sich eben durch Preisdiktat nicht wieder kurieren.

Der Erfolg der deutschen Stabilitätspolitik scheint viel eher schon ein Resultat des Sparkonzepts des neuen Kanzlers Schmidt zu sein, der sich von seines Vorgängers Politik der Illusionen und Reformen stark distanziert hat. Österreichs Regierung hat leider noch nicht zum gleichen Sprung über den eigenen Schatten angesetzt.

Aber ist der Preis, den die deutsche Regierung für ihr Austerity-Programm zu bezahlen hat, nicht eine— für deutsche Verhältnisse — relativ hohe Arbeitslosenrate? Hat also unsere Regierung nicht recht, wenn sie Inflation und Arbeitslosigkeit als Alternativen ansieht, und ist es ihr nicht gelungen, die Vollbeschäftigung zu erhalten — allerdings um den Preis einer stärkeren Inflation?

Zunächst ist anzumerken, daß die österreichische Gastarbeiterquo'te um 10 Prozent pendelt, sie nach Ansicht von Regierung und Gewerkschaften zu hoch ist, auf keinen Fall aber weiter steigen darf. Um dies zu verhindern, unternimmt die Regierung das Verkehrteste, was man in diesem Falle tun kann: Sie heizt zwar die Wirtschaft weiter an, hält sogar den Termin 1. Jänner 1975 für die nächste Etappe der Arbeitszeitverkürzung aufrecht — die selbstverständlich zusätzlichen Arbeitskräftebedarf bringen wird —, verfügt aber gleichzeitig Restriktionen für die Zulassung neuer ausländischer Arbeitskräfte und produziert damit eine Dampfkesselsituation, welche zu weiteren Kosten- und Preisexplosionen führen muß.

Wenn wir zu viel ausländische Arbeitskräfte haben, dann muß man eben arbeitsintensive öffentliche Projekte — UNO-City, Donauinsel usw. — zurückstellen, um den Bedarf an Arbeitskräften zu verringern.

Außerdem hat die partielle Arbeitslosigkeit, welche heute in Deutschland zu registrieren ist, nichts mit der Stabilisierungspolixik zu tun, sondern ist ein Strukturproblem: Einen allzu gewichtigen Platz in der deutschen Wirtschaft nimmt die Autoindustrie — zusammen mit den von ihr direkt oder indirekt abhängigen Branchen — ein. Deren gegenwärtige internationale Krise trifft daher die Bundesrepublik besonders hart — sie trifft sie um so mehr, als die Krise speziell die Exporte in Mitleidenschaft zieht und die deutschen Autoproduzenten nun unter den allzu großen Exporterfolgen früherer Jahre zu leiden haben.

Dieses Strukturproblem existiert unabhängig von der Stabilisierungs-politik und läßt sich kurzfristig nicht reparieren — am allerwenigsten durch eine forcierte, inflationstrei-bende Expansionspolitk.

Österreich besitzt — glücklicherweise können wir heute sagen — keine Autoindustrie. Das deutsche Strukturproblem betrifft uns daher nicht und würde auch durch eine Stabilisierungspolitik nicht entstehen. Die Regierung könnte • daher ruhig eine energischere Inflationsbekämpfung riskieren.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung