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Ausrottung aller Moskito-Brutstätten

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Eine neue Art der Terrorismusbekämpfung wollen die Türken der Welt schmackhaft machen. Was Ministerpräsident Süleyman Demirel eine „Ausrottung nicht nur der Moskitos, sondern ihrer Brutstätten" genannt haben soll, schaut in der Praxis so aus, daß durch generalstabsmäßige Angriffe auf Regionen ganze Kurdendörfer mit Alten, Kranken, Frauen und Kindern vernichtet werden.

Und da traut sich ein Turgut Özal, selbstbewußt und im Wissen um die Dankbarkeit der USA für sein Verhalten im Vorjahr während einer „Weltallianz"-Aktion zur Befreiung Kuweits, den kritischen Deutschen „Nazi-Allüren" vorzuwerfen. Im Wahn, eine Weltrolle und Ordnungsmacht spielen zu wollen und in der Angst vor einer Zerschlagung des bisherigen Staates durch kurdische Aufständische, sieht die Türkei offenbar den Verteidigungs-fali gegeben. Die NATO-Partner sollten wohl wie ein Mann hinter der fünftgrößten Militärmacht der Welt in ihrem Kampf gegen die kurdischen Rebellen stehen.

Die Türkei als NATO-, Europarats- und KSZE-Mitglied mit dem Anspruch auf EG-Mitgliedschaft wurde in Sachen Kurdenminderheit immer mit Samthandschuhen angefaßt. Die Tatsache, daß in Ostanatolien das Militär herrscht, Paßkontrollen an den Ortseingängen der Normalfall sind, die Anzahl der Soldaten in manchen Städten die Einwohnerzahl übertrifft, ein staatliches Terrorsystem die kurdische Bevölkerung physisch wie psychisch niederknüppelt, hat den die Menschenrechte auf der Zunge führenden Westen nie sonderlich berührt.

Die Kurden selbst - ob im Irak, im Iran oder in der Türkei - wurden in diesem Jahrhundert stes fremden Interessen geopfert. Interessant waren sie nur solange, als sie wirtschaftlichen, politischen, militär-strategischen Zielen nutzbar zu machen waren. Zuletzt haben dieses Spiel die Amerikaner mit den irakischen Kurden gespielt, die man glauben machte, man werde sie in einem Aufstand gegen Saddam Hussein tatkräftig unterstützen.

Kurdenführer wie Massud Barzani oder Jalal Talabani haben sich vom Weg der Gewalt zur Durchsetzung ihrer legitimen Forderungen nach Kurden-Autonomie, die momentan wohl völlig aussichtslos ist, losgesagt. Doch niemand in der Region, nicht einmal die sich so gerne als europareifes Land gerierende Türkei, hat etwas für die Kurden übrig. Das wird sich erst ändern, wenn die europäischen Standards, wie jetzt der durch Österreichs Außenminister ausgelöste KSZE-Menschenrechtsmechanismus bezüglich des brutalen Vorgehens der Türkei gegen die Kurden, langsam greifen.

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