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Ausschuß für die Bloßfußigen
Von allen Industrieländern der Welt ist Osterreich das Land mit der geringsten Entwicklungshilfe, gemessen am Nationaleinkommen (FURCHE 5/1988). Diese Tatsache spricht sich langsam weltweit herum.
Im Laufe der Jahrzehnte waren Minister beider Großparteien für die Entwicklungshüfe Österreichs verantwortlich. Mengenmäßige Unterschiede gab es
kaum. Die Aufteilung der geringen Mittel fand nach leicht veränderten Polit-Kriterien statt. Daß die verschiedene politische Grundeinstellung zu keiner grundsätzlich verschiedenen Politik der Entwicklungshüfe führte, weist darauf hin, daß diese Politik einer grundsätzlichen Haltung der österreichischen Bevölkerung entspricht.
Die Masse der Österreicher sieht offensichtlich keinen Grund, sich mit den Problemen eines anderen Kontinents zu befassen. Eine Minorität aber sehr wohl; und erst wenn man sich die Ausnahmen ansieht, versteht man ein wenig besser die Gründe für die Einstellung der Österreicher.
Vorarlberg ist das Bundesland mit der aktivsten Haltung zur Entwicklungshüfe: Von Spenden bis zum aktiven Einsatz sind die Vorarlberger immer die ersten.
Gleichzeitig fällt auf, daß die Vorarlberger zwar stets ihre Eigenständigkeit betonen, jedoch weit aufgeschlossener demgegenüber sind, was in der Welt um sie vorgeht, als der Rest der Österreicher.
Und man geht sicher nicht fehl in der Annahme, diese Weltoffenheit hänge mit der starken Ex-portbezogenheit der Vorarlberger Wirtschaft zusammen. Vorarl-
berger Stoffe etwa sind noch immer Exportschlager in,Afrika. Etliche Vorarlberger sind dabei zu Millionären geworden.
In Bundesländern wie Nieder-und Oberösterreich oder auch Kärnten wird Afrika als ein unendlich weit entfernter Kontinent empfunden.
Nicht, daß es auf wirtschaftlicher Ebene keine intensiven Kontakte gegeben hätte. Dabei scheint es so etwas wie ein Nachäffen der falschen Vorbüder gegeben zu haben.
Nicht wenige der verantwortlichen Technologen spielen sich auf wie die letzten Kolonialisten, mit argen Ergebnissen: angesichts dieser „Bloßfußigen“, die eh nix verstehn, wurde beispielsweise von der Voest Ausschußmaterial in Anlagen eingebaut, so daß diese nie funktionieren konnten.
Die Überheblichkeit rächte sich. Primitiverweise hatten Voest-Verantwortliche angenommen, mit der Unterschrift auf dem Ubernahmeschein wär's getan. Die Kongolesen gingen zum Internationalen Handelsgerichtshof, und im Endergebnis hatte die Voest allein bei der Raffinerie im Kongo einen Verlust von mehreren hundert Millionen Schilling zu verzeichnen.
Überheblichkeit und Rassismus sind Zwillinge. Klugheit im wirtschaftlichen Handeln ist Vorbedingung für weltoffenes Verhalten auch Afrika gegenüber.
Die Frage, ob mit einer Hilfe auch tatsächlich geholfen wird, gut für die Entwicklungshilfe aller Länder. Wie überall war auch in Österreich die humanitäre Komponente erste Motivation.
Bei den katholischen Organisationen, die über die Missionen doch eine klarere Vorstellung von den Notwendigkeiten Schwarzafrikas vermittelt bekamen, ergab sich sehr schnell eine konstruktive Einstellung. Vor vielen Jahren bereits erkannte man dort, daß es
zielführender sei, über ein landwirtschaftliches Projekt die Produktion von Lebensmitteln zu steigern, als ständig Lebensmittelpakete zu schicken.
Auch in der Sozialistischen Partei hat man vor kurzem erkannt, daß man sich mit den hochgeju-belten „Österreichpaketen“ als Entwicklungshüfe auf die Dauer lächerlich macht, und hat begonnen, die verfügbaren Mittel in echte Entwicklungsprojekte zu investieren. Dabei kann auf die Erfahrung von SP-nahen Entwicklungshelfern zurückgegriffen werden, die in den kirchennahen Organisationen arbeiteten.
Wie überall waren auch die frühen österreichischen Hilfsprojekte Fehlschläge, entstanden durch eine falsche Einschätzung der wahren Bedürfnisse. Erst durch konkrete Erfahrung lassen sich Fehlinvestitionen vermeiden.
„Erfolgserlebnisse“ in der Entwicklungshüfe können, wenn sie gut mediatisiert werden, sehr wohl die Bereitschaft der Österreicher heben, Mittel für Entwicklungshüfe bereitzusteUen.
Allerdings neigt ein großer Teü der Österreicher, einschließlich der Politiker, dazu, sich in eine „Abstauber“-Position zu manövrieren. Konkret bedeutet das, daß ein österreichischer Politiker vor der Entscheidung, ein unabhängiges Projekt durchzusetzen oder bei einem von einem Großen (Weltbank, EG, UNO) initiierten Projekt mitzuzahlen, sich stets für letztere Version entscheiden wird.
Die Schweizer sind uns da meilenweit voraus. Sie stricken sich ihre Projekte selber, erwerben Prestige und setzen es unmittelbar in Exportaufträge um.
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