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Außenminister Kinkel wird neuer FDP-Chef

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Klaus Kinkels Karriere in der FDP ist wohl einzigartig. Er ist ihr erst vor zwei Jahren, als er zum Minister ernannt wurde, beigetreten, obwohl er ihr sicherlich schon lange verbunden war. Anfang der siebziger Jahre holte der damalige Innenminister Hans Dietrich Genscher den tüchtigen Beamten in sein Büro, und nach dessen Wechsel ins Außenamt 1974 machte er ihn zum Leiter des Planungsstabes. Nach einem Zwischenspiel als Chef des Bundesnachrichtendienstes in Pullach holte sich 1983 der etwas farblose FDP-Justizminister Hans Engelhard Kinkel als beamteten Staatssekretär. Dort konnte sich der promovierte Jurist entfalten und leitete im Hintergrund praktisch das Ministerium. Als Engelhard 1991 zurücktrat, war Kinkel fachlich gesehen der logische Nachfolger. In der nicht einmal zweijährigen Amtszeit konnte er sich innerhalb der FDP und auch in der Öffentlichkeit profilieren. Und als im Mai 1992 Genscher als dienstältester Außenminister der Welt zurücktrat, wurde Kinkel gegen das Votum des Partei Vorstands, aber auf Wunsch der Fraktion zum Nachfolger vorgeschlagen.

Bislang fiel er in diesem Amt vor allem durch zwei Akzente auf: Erstens durch seine Menschenrechtspolitik und zweitens durch eine Betonung der Rolle des nunmehr vereinten Deutschlands in der internationalen Politik, Stichworte: Ständiger Sitz im UN-Sicherheitsrat und UN-Einsätze. Kinkel kommt nicht vom Flügel der Wirtschaftsliberalen, sondern könnte eher einem sozialliberalen (nicht linksliberalen!) Kurs zugeordnet werden. Dafür spricht schon seine katholische Herkunft aus einer westfälischen Arztfamilie, die nach Württemberg gezogen ist.

Und das für den Kenner österreichischer politischer Strukturen und Geschichte Bemerkenswerte und Undenkbare: Kinkel ist Mitglied der viertältesten CV-Verbindung (1859), der Guestfalia-Tübingen, deren dreimaliger Senior er auch in seiner Studentenzeit war. Die beiden höchsten Positionen im Staat, die die FDP zu besetzen hat, bekleiden nun CVer. Neben dem künftigen Vizekanzler Kinkel ist der FDP-Bundestagsvizepräsident Dieter Cronenberg Mitglied der fünftältesten (1868) CV-Verbindung Saxonia-Münster.

Die deutsche CV-Zeitschrift „Academia” konnte jüngst jubeln: „Zwei Außenminister beim Kommers!” Anläßlich des Festkommerses zur CV-Jahresversammlung 1992 hielt Kinkel die Festrede, und unter seinen Zuhörern befand sich in Couleur der ebenfalls bejubelte Alois Mock.

Kinkel mußte seine katholische Grundeinstellung noch nicht unter Beweis stellen. Während der Abtreibungsdebatte war er nicht mehr Justizminister und noch nicht Abgeordneter.

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