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Außenpolitik als Krämerei?

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Zur oft angeschnittenen Frage, ob Bundeskanzler Kreisky ein ebenso ideen- wie erfolgreicher Außenpolitiker ist, gibt es sehr ambivalente Meinungen. Er selbst versucht immer wieder in Erinnerung zu rufen, daß er der letzte Überlebende aus jener Gruppe von Männern (Julius Raab, Leopold Figl und Adolf Schärf) sei, die am’ Zustandekommen des Staatsvertrages maßgeblichen Anteil hatten. Nun hört man gar, daß ihn Regierungspartei und Bundesregierung in den Mittelpunkt der Jubiläumsfeiern anläßlich der zwanzigsten Wiederkehr des Tages der Unterzeichnung des Staatsvertrages stellen möchten.

Unbestritten ist Bundeskanzler Kreisky seit Mitte 1970 Geschäftsführer der österreichischen Außenpolitik. Sowohl der frühere Außenminister und jetzige Bundespräsident Kirchschläger als auch der jetzige Chef des Außenamtes, Bielka- Karltreu, hatten und haben dabei nicht mehr zu tun als Prokuristen im kommerziellen Bereich. Wechselverpflichtungen durften und dürfen sie nicht eingehen. Dafür ist Bundeskanzler Kreisky zuständig. Deshalb haftet Bundeskanzler Kreisky für die österreichische Außenpolitik weniger beschränkt, als etwa für die Sozialpolitik von Vizekanzler Häuser oder die Verkehrspolitik von Minister Lanc.

In der österreichischen Politik sind seit Mitte 1970 mehr Veränderungen erfolgt als in den fünfundzwanzig Jahren davor. Die Verteidigungskraft ist schwächer geworden, am Verteidigungswillen unseres Landes sind nicht nur aus unserer unmittelbaren Umgebung erhebliche Zweifel aufgekommen. Selbst von „Sicherheitsrisiko“ war dabei bereits die Rede. Die Minderheitenpolitik des Bundeskanzlers hat am Beispiel des „Orts- tafel“-Konflikts die diplomatischen Beziehungen zu Jugoslawien arg verschlechtert. Devote Zuständig keitsadressen, die heute Außennü- nister Bielka-Karltreu an Belgrtfe richtet und in denen er einem kommunistischen Staat gegenüber die Tatsache der Meinungsfreiheit in Österreich bedauert, unterstreichen die Widersprüchlichkeit der Außenpolitik.

Das Konto der österreichischen Außenpolitik wäre nicht vollständig, würde man nicht die Schönau-Affäre erwähnen, die dem Regierungschef innenpolitisch kaum Nutzen, Österreich aber außenpolitisch nur

Nachteile brachte. Doch, ist man offensichtlich seither nicht bereit, zurückzustecken. Und Außenpolitik versteht Bundeskanzler Kreisky nun einmal als eine Angelegenheit, von der niemand mehr versteht als er selbst.

Zuletzt zeigte sich das beim Auftritt Kreiskys in New York. Dort lobte er den Führer der Palästinenser, Yasser Arafat, als Staatsmann; darüber hinaus votierte Österreich für das Erscheinen des Guenillachefs vor der UNO-Vollverssammlung. Von den Ostblock-Staaten abgesehen entschieden sich für die Zulassung nur wenige europäische Staaten, die überdies als ausgesprochen araberfreundlich bekannt) sind: etwa Frankreich, Spanien und Portugal, und schließlich das von Moskau abhängige Finnland. Die meisten anderen Staaten (insbesondere die Bundesrepublik Deutschland, Großbritannien, die Benelux-Staaten), enthielten sich der Stimme. Damit hat die Bundesregierung und ihr tatsächlicher Außenminister nach der so unerquicklichen Schönau-Affäre einen logischen zweiten Schritt gesetzt und ein sehr problematisches Kapitel der österreichischen Außenpolitik prolongiert.

Von Konsequenz diktiert ist Österreichs weitere Entscheidung, UNO- Resolu’tionen beizutreten, in der revolutionäre Bestrebungen in Staaten der Dritten Welt gegen „weiße“ Mächte grundsätzlich begrüßt werden. Diese Resolutionen enthalten die Klausel „by all means“, was so viel heißt, daß Österreich auch gewaltsame Auseinandersetzungen in der Dritten Welt begrüßt, ganz gleich, ob es tatsächlich Freiheit oder aber eine vermeintliche Freiheit ist, die dabei angestrebt wird. Die Konsequenz, von der hier die Rede ist, erinnert an Krämergeist, wenn man die Gründe der Entscheidung Österreichs in Rechnung stellt.

Österreich befürwortet demnach als neutraler Staat die Anwendung von Gewalt in den Befreiungskriegen der Dritten Welt, um sich offenbar auf diese Weise der Sympathien dieser Staaten, die die Mehrheit in der UNO-Vollversammlung ausmachen, zu versichern. Damit verbindet sich nun auch nicht nur höhere außenpolitische Logik, sondern auch die, daß es der österreichischen Bundesregierung heute etwa um die Vergabe von Büroräumen in der überdimensionierten Wiener UNO-City zu tun ist. Für die vielen Büroeinheiten in der UNO- City haben sich bis heute viel zu wenig UNO-Organisationen gefunden. Da die Staaten der Dritten Welt über die Vergabe von UNO-Einrich- tungen entscheiden, fühlt sich die Bundesregierung verpflichtet, durch das Vabanque mit außenpolitischen Prinzipien eines neutralen Staates potentielle Mieter in die UNO-City zu locken.

Doch zur diplamatischen Kunst gehört es, Sachverhalte höflicher zu umschreiben, als es den Personen der Handlung und ihren Zielsetzungen zukommt. Das ist auch der Grund warum so wenig öffentliche Diskussion über Österreichs Verhalten vor der UNO entsteht.

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