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Außenpolitik ohne Glück

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Zu viele Widersprüche und Hypotheken belasten internationale Bemühungen des französischen Präsidenten

Ambitioniert ist Frankreichs Präsident in der Außenpolitik zweifelsohne. Doch das überspitzte französische Präsidialregime, sein Prestigebedürfnis und die eigene Partei behindern den Präsidenten oftmals bei seinen internationalen Bemühungen.

Der ehemalige französische Präsident Giscard d'Estaing stieß sogar in den Reihen der Opposition auf offene Mißbilligung, als er dieser Tage in einem langen Zeitungsinterview versicherte, während seiner Regierungsperiode habe sich Frankreich auf der Ebene der Supermächte bewegt, durch die Schuld Francois Mitterrands sei es jedoch inzwischen auf ein viel niedrigeres Niveau abgeglitten. Eine derartige Selbstüberschätzung findet in Frankreich kein Echo mehr.

Giscard d'Estaings Außenminister Francois Poncet kam in seiner Jungfernrede als neu gewählter Senator der Wirklichkeit näher, als er Mitterrand vorwarf, daß seine zahlreichen außenpolitischen Initiativen meistens im Sande verlaufen sind.

Mitterrand setzte große Hoffnungen auf den französischen Vorsitz der Europäischen Gemeinschaft im ersten Halbjahr 1984. Er möchte einen wesentlichen und dauerhaften Beitrag zum europäischen Aufbau leisten. Der Fehlschlag der letzten Sitzung des Europäischen Rates in Athen zwingt ihm jedoch nunmehr die Rolle des Feuerwehrmannes auf. Er ist klug genug, um hiervon keinen Auftrieb für sein nationales und internationales Prestige zu erwarten.

Selbst wenn es Mitterrand gelingt, die augenblickliche Krise der Gemeinschaft zu überwinden, bringen ihm die hierzu erforderlichen, mehr oder weniger hinkenden Kompromisse keinen Ruhm ein. Es dürfte ihm nicht einmal vergönnt sein, die Verhandlungen für die Erneuerung des Assoziierungsabkommens mit den Staaten Afrikas, der Karibik und des Pazifik zu beenden, um sich als aktiver Verbindungsmann Europas mit der Dritten Welt herauszustellen.

Die französische Diplomatie scheint es auch nicht mehr zu verstehen, durch regelmäßige bilaterale Kontakte die Partner für ihre Thesen zu gewinnen. Die kleineren Länder haben immer wieder den Eindruck, vernachlässigt zu werden.

Das überspitzte französische Präsidialregime ist mit einer wirkungsvollen Diplomatie schwer vereinbar, denn sie verbindet sich mit zielbewußter Kleinarbeit, während Mitterrand glaubt, daß es genügt, wenn er allein an allen Fäden zieht. Dadurch wirkt er auf die Dauer hochnäsig und entmutigt manchen guten Willen.

Eine weitere außenpolitische Schwäche Mitterrands ist sein Prestigebedürfnis. Damit unterscheidet er sich zwar nicht von seinen Vorgängern, jene waren jedoch meistens von ihrem Verwaltungsapparat, dem sie Vertrauen schenkten, besser beraten als der ebenso einsame wie impulsive Mitterrand.

Ein Musterbeispiel für die möglichen Fehlleistungen war seine Ankündigung einer möglichen französischen Initiative, um die Genfer Abrüstungsgespräche übe- das Raketenpotential in Europa wieder in Gang zu bringen. Offiziell lehnt zwar Frankreich schon lange jede Mittlerrolle ab, tatsächlich verlockt es jedoch die geringste Chance, sich weltpolitisch in den Vordergrund zu spielen, um so sein internationales Gewicht zu verstärken.

In der Abrüstungsfrage ließ sich der französische Präsident durch einen sowjetischen Versuchsballon verleiten. Im Oktober hatte Moskau erkannt, daß es den Beginn der NATO-Nachrü-stung nicht verhindern kann und den Einfluß der Friedensbewegung überschätzt hatte. Um nicht das Gesicht zu verlieren, mußte es den Genfer Verhandlungstisch verlassen. In Erwartung dieses Beschlusses legte die Sowjetunion Mitterrand nahe, sich im geeigneten Augenblick um die Wiederanknüpfung der Fäden zu bemühen.

Die erste Reaktion des Präsidenten war positiv. Dann begann man jedoch nachzudenken, vor allem über die Beweggründe Moskaus. Dessen wichtigstes Ziel bleibt die Einbeziehung des französischen Atompotentials in die europäische Gleichgewichtsrechnung, um auf diese Weise seine geplante Modernisierung zu verhindern und den Bestrebungen in Richtung eines europäischen Verteidigungssystems entgegenzuwirken.

Paris konnte nicht übersehen, daß die Aufrechterhaltung der Sonderstellung seiner Nuklearwaffen nach einer auch nur indirekten Einschaltung in die Genfer Abrüstungsverhandlungen sehr schwer fallen würde. Zu berücksichtigen war ferner die sehr unfreundliche Haltung der Sowjetunion gegenüber Frankreich, und vor allem gegenüber Mitterrand, in fast allen Bereichen, vom Tschad über den Libanon bis zur Verteidigungs- und Wirtschaftspolitik.

Ganz offensichtlich liegt es Moskau fern, dem französischen Präsidenten einen Liebesdienst zu erweisen. Es dürfte ihm daher eine Falle stellen, wahrscheinlich indem es sich über die Wiederaufnahme der Genfer Verhandlungen direkt mit den Amerikanern einigt und so Mitterrand lächerlich macht.

Eine Belastungfür die französische Außenpolitik ist andererseits die ihr auferlegte Rücksicht auf die sozialistische Partei. Da sie meistens den Realitäten widerspricht, führt sie zu einer Doppelzüngigkeit, die die internationale Glaubwürdigkeit Frankreichs nicht fördert.

Namibia und Nikaragua gehören zu den Lieblingskindern der um das Schicksal der Dritten Welt leidenschaftlich besorgten Sozialisten. Frankreichs Beteiligung an der vorwiegend von den USA belebten westlichen Fünfergruppe für die Regelung der Namibia-Krise mißfällt der Partei schon lajnge. Deshalb hielt es Außenminister Claude Cheysson für angebracht, im Parlament zu erklären, daß sich Frankreich an deren Arbeiten nicht mehr beteiligen wird.

Kurz danach benützte Premierminister Pierre Mauroy eine Aussprache mit dem amerikanischen Vizepräsidenten George Bush, um wissen zu lassen, daß er Washington erneut aufgefordert habe, für das revolutionäre Regime Nikaraguas mehr Verständnis aufzubringen.

Hinter der Fassade sind jedoch die Dinge anders.

Was Nikaragua betrifft, zeigen sich die Amerikaner durchaus offiziell dankbar für die französischen Bemühungen um eine gemäßigtere Haltung des revolutionären Regimes, dem außerdem von Paris dringend nahegelegt wird, sich mit Washington zu verständigen.

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