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Außenseiter in Gelb

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Vorarlberg hat seine erste Landesausstellung. In fünfzehn renovierten Räumen des Renaissancepalastes in Hohenems gelangen die wichtigsten Aspekte zum Thema „Kleider und Leute” zur Darstellung. Spätaberdoch engagiert sich das Land Vorarlberg verstärkt im bislang vernachlässigten Bereich des Kunst- und Ausstellungswesens.

Dem geplanten Kunsthaus in Bre-genz eilt die erste Landesausstellung voraus, deren Durchführung im Jahr 1988 beschlossen wurde. „Das Thema war vorgegeben, es war wohl der Gedanke des Textillandes dahinter, aber auch, als Späteinsteiger sich von anderen Landesausstellungen abzuheben” (Projektleiterin Christine Spiegel).

Ort der Veranstaltung ist der zwischen 1562 und 1610 nach Plänen des italienischen Baumeisters Martino Longo für Marcus Sitticus, Reichsgraf von Ems errichtete Palast zu Hohenems (heute im Besitz der Grafen von Waldburg-Zeil), dessen Dachstuhl und zweites Obergeschoß zu diesem Zweck einer umfassenden Sanierung unterzogen wurden. Die räumlichen Gegebenheiten (zahlreiche mittelgroße bis kleinere Räume) hatten auch maßgeblichen Einfluß auf die Überlegungen zur Ausstellungskonzeption und -gestaltung.

Aus der thematisch naheliegenden Ausgangsidee einer Darstellung der Tex-til-, Mode- und Kostümgeschichte der letzten zweihundert Jahre wurde letztlich eine Abfolge von Erörterungen zum Thema Kleidersprache: „Damit ist gemeint die symbolische Bedeutung bestimmter Farben und Materialien, ist gemeint der zivilisationsgeschichtliche Aspekt der Unter- oder Badekleidung, aber auch ganz sichtbarer Kleidungszeichen im Sinne von Gesinnungslook, mit dem Kontext politischer Ansprüche.”

Jeder Raum ist auf ein Thema bezogen, das durch die Exponate, deren architektonische Inszenierung und durch gut leserliche Wandtexte und Einzelbeschriftungen zum Vortrag kommt. Themen wie: Körpersilhouette, Material, Farbe, Mode, Unter- und Badekleidung, Rock und Hose, „Die feinen Unterschiede” (Accessoires und Marken als subtile Zeichen des Geschmacks), „Revolution und Aufbegehren”, „Einfach und natürlich” oder „Tracht als Idee” werden sowohl in ihrer historischen als auch soziologisch/psychologischen Dimension erörtert oder zumindest angerissen.

DerRaum zum Thema, .Farbe” beispielsweise enthält drei große Vitrinen mit verschiedenfarbigen Kleidungsstücken. Dabei zeigt sich Gelb als traditionsreiches Signum für Außenseiter und Randgruppen, Rot als die Farbe von Würde und Macht und Blau als Arbeitswelt- und Alltags-Farbe.

An der gegenüberliegenden Wand finden sich Hinweise zu Farbtheorie und -psychologie, unter anderem dargestellt durch aktuelle Korrelationen zwischen Farben, Stimmungen und Bedeutungen.

Dabei wird klar, wie sich ältere Zuordnungen auflösen oder vermischen, was für die Mode bedeutet:„Die überlieferten Farbordnungen sind heute von einer breiten Palette saisonal wechselnder Farben, und frühere Vorschriften damit von Empfehlungen abgelöst worden.”

Die Lösung alter und die Entwicklung neuer Ordnungen ist ein durchgehend wichtiges Thema der Ausstellung.

Bis' ins achtzehnte Jahrhundert war Kleidung ein Spiegelbild hierarchischer Verhältnisse, das sich erst im Zuge von Aufklärung und Französischer Revolution in die Richtung einer modernen Kleidersprache bürgerlicher Prägung verschob. Die dabei entstehenden neuen Ordnungen sind seither oft eng verknüpft mit den politischen beziehungsweise ideologischen Einstellungen der Träger von Kleidung.

Die Entwicklungsgeschichte der Hose zeigt dies besonders deutlich: Die langen „pantalons” der bürgerlichen Revolutionäre (der „Sansculottes”) bezeichneten diese als die Gegner der adeligen Kniebundhosen-Träger, wobei sich aus den Pantalons wenig später die Röhrenhose des biedermeierlichen (Klein-)Bürgertums entwickelte.

Um die Jahrhundertwende griff die emanzipierte Frau zur Hose und bestritt damit eine nächste Revolution. Und 1968 ging die Blue-Jeans als Siegerin des Aufstandes der Jugend gegen das „Establishment” hervor.

Im gegenwärtigen Markenkult schließlich wird auch diese Hose für den etablierten (Klein-)Bürger salonfähig...

Kleidung, die zweite Haut...

„Kleidung, die zweite Haut des Menschen, ist schon lange vom eigentlichen, wärmenden Aspekt weggekommen. Kleidung gehört mit zu den Körpersignalen, zum nonverbalen Ausdruck.” So wie man sich nicht nicht-verhalten kann, kann man sich auch nicht neutral kleiden: „Es ist immer eine innere Einstellung damit verbunden.” Auch dieser Aspekt kommt in der Ausstellung zum Tragen: Der Betrachter sieht sich plötzlich selbst in einem Spiegel oder- mit „versteckter Kamera” gefilmt - auf der Leinwand einer Multi-Media-Show stehen.

„Kleider und Leute” ist die Verbindung von inhaltlicher Vermittlung(der etwa 900 Exponate, teilweise Leihgaben internationaler Sammlungen) und Ausstellungsarchitektur gelungen. Vornehmlich in dunklen Farben und Materialien (Eisenblech, dunkles Holz) gehalten, bildet diese einen Kontrast zur Stofflichkeit der Exponate und hebt diese zugleich hervor. Raffinierte Ein- und Durchblicke (auch hinter ihre eigene Kulisse) sowie die Einbeziehung audiovisueller Medien unterstützen das Gesamtkonzept dieser Ausstellung, das nicht nur Dokumente und Antworten liefert, sondern auch Fragen aufwirft und zur Hinterfragung anregt.

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