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Ausweichberater

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Es sind nicht nur kreiskytreue Sozialisten, die dem sogenannten Mallorca-Paket ursprünglicher Schnürung zum einjährigen Jubiläum nachweinen. Die spätere rot-blaue Volksausgabe des deformierten Mallorca-Packels erweist sich als recht einseitige Last auf den Schultern der Ärmeren, denen eine höhere Zinsertragsteuer deswegen gleichgültig gewesen wäre, weil sie ohnehin keine Reichtümer auf der sagenhaften hohen Kante liegen haben. Worin die besondere Leistungsorientierung einer Umsatzsteuererhöhung für kinderreiche Familien besteht, ist so schwer zu erklären wie die wirtschaftsbelebende Wirkung der Zinsenverringerung von 0,075 Prozent auf dem Gehaltskonto.

Doch indes ich so dem alten Papa Kreisky nachweine, kommen mir doch wieder gewisse Sympathien für den Salchersteger, wenn ich vernehme, welch uneigennütziger, Österreich weiter Beraterdienst sich in den heimischen Medien in den letzten Wochen auf-und umgetan hat.

Aufklärung tut selbstverständlich not — und Information ist der Medien und ihrer Verbündeten Pflicht und Recht zugleich. So wäre denn auch zu erwarten gewesen, daß sie uns noch eingehender erklären, woher die Löcher im Budget kommen und wohin sie führen, damit wir wenigstens wissen, wie gemeinwohltätig unsere neuen Opfer sind. Nicht, daß darüber nichts zu hören und zu lesen gewesen wäre! Doch das Hauptthema war das beileibe nicht. Das Hauptsächliche und Wesentliche ist hierzulande bekanntlich nie das Hauptthema.

Das Hauptthema am Belastungspaket und der Zinsertragsteuer ist, wie man sie vermeiden kann. Zusätzliche Spannungselemente lieferte dazu die Regierungspolitik durch zizerlweises Bekanntgeben der Bestimmungen und Ausnahmen. Wer das nervlich nicht durchhielt und auf Nummer Sicher gehen wollte, stellte seine Ersparnisse kurzerhand auf den Kopf und feierte die Krippendarstellung der Flucht nach Ägypten als Flucht in die Sachwerte. So liegt denn, sicher ist sicher, seit Anbruch des fatalen Belastungsjahres manches auf Vorrat, vom Videospiel über Gewürzgurken bis zu Rum und Sekt. Die Bevorratung der geistigen Landesverteidigung in Österreich ist überhaupt so großflächig, daß im Falle eines Atombombenangriffs ganz Österreich so unter Alkohol gesetzt werden kann, daß der Untergang eine der Tradition dieses Landes würdige einzige Sauforgie wird, aus der wir halt nicht mehr erwachen.

Dann wäre auch die Zinsertragsteuer egal. Aber vorher müssen wir ihr mit Hilfe unserer Berater ausweichen.

Da es nicht jedermanns Geschmack und Geschick ist, an den Börsen von Tokio und Johannesburg zu spekulieren, obwohl uns auch diese Möglichkeit nicht vorenthalten wurde, empfiehlt es sich, familienfreibetragsfreudig bauzusparen. Ob diese großzügige Ausnahme mit den freimaurerischen Neigungen unserer gegenwärtigen Regierung zusammenhängt ist ein ebenso vorwitziges wie voreiliges Rätselspiel. Sei es, wie es sei, die soziale Zersiede-lung Österreichs rechtfertigt die Ausnahme — und manchmal baut ja so ein Bausparer auch wirklich, und manchmal baut er sogar etwas Schönes und Nützliches. In den letzten Dezemberwochen 1983 wurde jedenfalls dank intensiver Beratung der Grundstein für mindestens eine mittelgroße neue Stadt gelegt.

Wer dazu schweigt, genießt noch lange nicht. Denn — wie schon früher an dieser Stelle ausgeführt — kein Genuß ohne Schein. Gigantische Genüsse wurden von den Ausweichern grundgelegt. Die Vorfreude ist bekanntlich die schönste aller Freuden.

Wer aber nun, und jetzt beginnen unsere Berater die Lippen flüsternd zu spitzen, sein Geld nicht etwa patriotisch in Alpendollar hortet, sondern der anspringenden Konjunktur der Weltwirtschaft vertraut und es daher als Anleihe oder Guthaben in fremde Währungen steckt, der ist ein so bemitleidenswerter Sozialfall, daß ihm der Finanzminister die Zinsertragsteuer erläßt. Diese Maßnahme sichert Arbeitsplätze beim Devisenhandel und bei den Kurszetteldruckern, sie erhöht das Verständnis für internationale Wirtschaftszusammenhänge und gibt überhaupt Österreich wieder jenen Kontakt mit fremden Völkern und Kulturen, den wir seit dem Abgang Kreiskys sosehr vermissen.

Aber auch die menschliche Seite wurde nicht vergessen. Der private Geldverleih wird auch nicht belastet. Das läßt für Vermittler eine neue Blüte hoffen.

Das gute alte Subsidiaritäts-prinzip ist doch nicht ganz ausgestorben. Anpumpen und Angepumptwerden erhalten durch diese Befreiung wieder etwas von dem alten Glanz und der Spannung, die allemal damit verbunden ist, zurück.

In diesem Bewußtsein mischt sich der Dank an diese großzügige Ausnahmengesetzgebung mit dem Dank an die Ausweichberater, die uns nicht ohne Weisung und Trost in dieses Jahr geschickt haben.

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