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Autonomie hat viele Gesichter

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Mehr ganztägige Schulen und eine weitgehende Autonomie ab dem Schuljahr 1993/94 wurden in der 14. Novelle zum Schulorganisationsgesetz dieser Tage diskutiert. Wie sehen betroffene Lehrer die künftig größere Selbständigkeit der einzelnen Schule?

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Mehr ganztägige Schulen und eine weitgehende Autonomie ab dem Schuljahr 1993/94 wurden in der 14. Novelle zum Schulorganisationsgesetz dieser Tage diskutiert. Wie sehen betroffene Lehrer die künftig größere Selbständigkeit der einzelnen Schule?

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Warum hat manaiicht schon früher an Autonomie gedacht? Der Sekretär des Unterrichtsministers und Autonomie-Stratege, Anton Dobart, sagt dazu: „In den dynamischen Entwicklungen unserer Tage muß man auch die Schule reformieren. In vielen westeuropäischen Ländern sind die Schulen eigenständiger als hier in Österreich!"

Auf den Hinweis, daß viele Direktoren und Lehrer die Autonomie als Mehrbelastung und als Abschiebung von Problemen ansehen, antwortete Dobart: „Mehr Selbstbestimmung ist selbstverständlich mit mehr Arbeit verbunden. Die Schulen werden nicht dazu gezwungen autonom zu sein. Im übrigen werden durch Gespräche und Informationen für Direktoren, Lehrer, Eltern und Schüler sicherlich viele Mißstände aus der Welt geschaffen."

Ab Herbst 1993 soll die Autonomie auch gesetzlich verankert sein. Überfällige Reformen, dringendst notwendige Verwaltungsvereinfachungen und ein etwas höheres Maß an pädagogischer "Selbständigkeit wird sie bringen. Mehr Flexibilität ist die Folge. Ungeheuerlich die Tatsache, daß Paul Wildner, Direktor des Piaristen-gymnasiums in Wien, trotz Autonomietrend deswegen eine Rüge des Unterrichtsministeriums erhielt, weil er einen Geschirrspüler um 40 Prozent billiger erwarb als auf dem Kostenvoranschlag ausgewiesen.

Die Autonomie verspricht auch Mit-entscheidung von Schulgemeinschaftsausschüssen, von Eltern, Lehrern, Schülern und Direktoren in Personal- und Kostenfragen. Der im Stadtschulrat für die Allgemeinbildenden Höheren Schulen zuständige Dieter Braunstein spricht sich voll für diese Reform aus: „Es gibt eine finanzielle, pädagogische und administrative Autonomie. Grundsätzlich ist die Autonomie positiv und sehr zu begrüßen. Autonomie ist jedoch nicht als Abschiebung von Problemen zu sehen. Eltern, Lehrer und Schüler werden erstmals mit einbezogen, die Gemeinschaft entscheidet mit. Natürlich werden die Schulen weiterhin -im positiven Sinn - überprüft und vom Staat beraten. Die Schulbehörde wird weiterhin einen Stellenwert haben."

Paul Wildner sieht das nicht so positiv: „Ich habe eine Arbeitsgruppe zum Thema Autonomie ins Leben gerufen und wir sind zu folgendem Schluß gekommen: Autonomie ist manchmal Abschiebung von Problemen. Das Unterrichtsministerium hat weniger Arbeit und wir müssen nun in den Schulen diese Arbeiten mitübernehmen. Es herrscht Personalmangel an den Schulen, die Sekretärinnen sind gar nicht geschult für diese Arbeiten. Wenn wir von Autonomie sprechen - und ich bin nicht grundsätzlich dagegen - dann sollte dies vernünftig sein."

Wie sieht der Zentralausschuß der Lehrergewerkschaft für die berufsbildenden mittleren und höheren Schulen die Autonomie? Ingeborg Holler, ein Mitglied des Zentralausschusses dazu: „Der Begriff Autonomie hat viele Gesichter, wenn sie dazu führt, der Subsidiarität im Sinne der christlichsozialen Gesellschaftslehre zu entsprechen, wäre sie zu begrüßen. Autonomie kann nie Selbstzweck sein und ist kein Wert an sich.

Wenn von einer autonomen Schule gesprochen wird, dann kann das nicht eine Schule sein, die vollkommen losgelöst vom gesetzlichen Erziehungsauftrag der österreichischen Schulgesetze agiert, und es kann auch keine Schule sein, die sich ihre materielle Basis selbst beschaffen muß. Das Problem, warum sehr viele Pädagogen der Autonomie, wie sie jetzt vom Ministerium forciert wird, skeptisch gegenüberstehen, ist in einer jahrzehntelangen Gängelung durch die Schuladministration begründet. Engagierte Pädagogen hat man sehr oft nicht nur nicht gefördert, sondern ihr Engagement mit administrativen Schikanen abgetötet.

Eine Autonomie, wie wir Lehrer sie uns wünschen, sollte zu einer Schule führen, in der die menschliche Begegnung der Schulpartner und der Erziehungsauftrag im Vordergrund stehen. Dies würde aber bei allen Beteiligten einen längerfristigen Lernprozeß voraussetzen. Die Verteilung immer knapper werdender Mittel sollte nicht einer autonomen Mangelverwaltung überlassen werden. Das wäre das bloße Abschieben eines unbequemen Verteilungskampfes auf die unterste Ebene der Schule.

In den USA, wo eine sehr weitgehende schulische Autonomie gegeben ist, hat dies zu einer Verschlechterung des Bildungswesens geführt. Die neue amerikanische Administration muß daher, gerade auf dem Sektor der öffentlichen Schulen, energisch gegensteuern. Hier sieht man deutlich, daß Autonomie ihre Grenzen hat. Gerade in den berufsbildenden mittleren und höheren Schulen, wo viele Direktoren bereits jetzt Millionenbudgets zu verwalten haben, ist das Schulmanagement durchaus in der Lage, autonome Bereiche selbst zu verwalten, wenn man die Schulleitungen auch mit den nötigen Kompetenzen ausstattet."

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