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Autostopp nach Wien

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In Tirol ist es nach wie vor nicht möglich, in einer Klinik oder einem Sanatorium Schwangerschaftsabbrüche im Sinne der Fristenlösung durchführen zu lassen. Die Tiroler Landesregierung hat zwar vor einiger Zeit erfolglos eine Bestimmung des Bundeskrankenanstaltengesetzes angefochten, wonach keine Anstaltsordnung die Durchführung eines straflosen Schwangerschaftsabbruches verbieten oder die Weigerung, einen solchen durchzuführen, mit nachteiligen Folgen für den betreffenden Arzt verbinden dürfe; die Ablehnung änderte jedoch nichts an der bislang geübten Praxis. Selbst

Landeshauptmann-Stellvertreter Salcher (SP) mußte einräumen, daß kein Arzt und kein Krankenhaus gezwungen werden könne, derartige Eingriffe vorzunehmen.

Der Vorstand der Universitätsfrauenklinik, Professor Otto Dapunt, läßt keinen Zweifel daran, daß Schwangerschaftsabbrüche im Sinne der Fristenlösung an seiner Klinik aus medizinischen und ethischen Überlegungen nicht in Frage kämen: „Es geht meiner Meinung nach nicht an, daß nach Gutdünken über Sein oder Nichtsein eines ungeborenen Lebewesens entschieden wird. Die Beachtung der Schutzwürdigkeit des Lebens müßte schließlich immer noch das oberste Prinzip eines Mediziners sein. Dieselbe Auffassung vertreten auch alle Ärzte meiner Klinik. Natürlich werden von uns Eingriffe durchgeführt, aber nur nach entsprechender Indikation, wobei die Frist nicht das Entscheidende sein kann. Ich kann nur immer wieder feststellen, daß ein derartiger

Eingriff keine harmlose Angelegenheit darstellt und deshalb meist irgendwelche Nachwirkungen zeitigt Das jetzige Gesetz versucht ein Problem zu lösen, während neue Probleme entstehen.“

Wie man erfährt, ist in Tirol die Nachfrage nach solchen Eingriffen gar nicht so rege. In der Innsbrucker Frauenklinik erkundigen sich angeblich wesentlich mehr Frauen aus der deutschen Bundesrepublik nach den Möglichkeiten eines Schwangerschaftsabbruches als Einheimische. Auch die Leiterin des „Arbeitskreises für Emanzipation und Partnerschaft“, Doris Linser, erklärte, daß Anfragen in diesem Zusammenhang in den Sprechstunden der AEP-Familienberatungsstelle relativ selten seien. Dies sei auch darauf zurückzuführen, daß der überwiegende Teil der Tiroler Ärzte ihren Patientinnen von Abtreibungen abrate. „Wir schicken Ratsuchende meistens nach Wien. Vorwiegend handelt es sich um Studentinnen, die zum Teil sogar per Autostopp die Reise antreten. Im übrigen trachten wir danach, Verhütungsmaßnahmen zu propagieren, um der Problematik der Abtreibung entgegenzuwirken.“ In einer AEP-Umfrage bei den Tiroler Ärzten äußerten sich nur deren acht positiv über die Fristenlösung und nur vier erklärten sich bereit, unter Umständen Schwangerschaftsunterbrechungen vorzunehmen. Die weitaus überwiegende Mehrheit der Tiroler Ärzteschaft — sowohl in den Krankenanstalten als auch in der freien Praxis — will also mit der Fristenlösung nichts zu tun haben.

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