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Bagdads Zwist mit Teheran

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Der heiße Konflikt zwischen dem Irak und Iran vom Kleinen Zabbiszum Persisch-Arabischen Golf hinunter spielt sich vor dem Hintergrund tiefgreifender innenpolitischer Veränderungen im südwestlichen Nachbarland der „Islamischen Republik" ab. Nicht nur in Teheran, auch in Bagdad hatte das Jahr 1979 einen Führungswechsel gebracht, der allerdings bei uns wegen der Fixierung auf die iranischen Vorgänge viel weniger beachtet wurde.

Seit vergangenem Juli herrscht am Tigris anstelle der 1968 blutig an die Macht gekommenen kollektiven Führung der „Arabischen Baath-Soziali-sten" der Realpolitiker Saddam Hussein als Alleinherrscher. Seiner Machtergreifung war die Entmachtung der über 20 Jahre im Irak entscheidend mitbestimmenden Kommunisten vorausgegangen. Mit offenen Karten unterstützt wurde dieser Führungswechsel durch Saudiarabien.

In gewisser Hinsicht wurde Saddam Hussein von einer ähnlich religiösen Welle emporgetragen wie sie in Iran Chomeini an die Macht gebracht hat. War dort das Opfer der Schah mit seiner säkularen Europäisierungspolitik, so blieben im Irak die Areligiösen und die Antireligiösen östlicher Prägung auf der Strecke.

Hatte der Irak bis vor kurzem als das Land der Galgen für Juden und christliche Assyrer gegolten, die hilfesuchend zum Schah nach Teheran blickten, so ist die Situation inzwischen genau umgekehrt. Die iranischen Ostsyrer aller Konfessionen verlassen die Republik der Ayatollahs in Scharen, lassen sich nicht nur in Australien und Kanada, sondern zunehmend auch im Irak nieder, der ihnen auf dem Papier schon 1972 einen privilegierten Status eingeräumt hatte.

Für viele der nicht mehr rechtzeitig nach Israel emigrierten rund 80.000 persischen Juden ist die irakische Grenze die letzte Zuflucht geworden, vor allem jener Zipfel zwischen Bari'eh, Chwarta, Pendschwifi und Marivan, der früher immer von Bagdader Juden in umgekehrter Richtung passiert worden war.

Dieselbe Umkehrung alles bisher Dagewesenen gilt auch im Bereich der nationalen Minderheiten. Der irakische Präsident Saddam Hussein hat die von ihm schon 1970 eingeführte, später aber sträflich vernachlässigte Kurden-Autonomie im irakischen Nordosten genau dann wieder aus der Versenkung geholt, als sich bei den iranischen Kurden die große Enttäuschung über die Hintanstellung ihrer Sonderrechte durch die Islamische Revolution bemerkbar machte.

Irans weltlicher Kurdenführer neben dem geistlichen Scheich Ezzeddin Hos-seini, der in Prag zum Doktor promovierte Abdel Rahman Ghassemlu, war Beamter des Planungsministeriums in Bagdad und agiert heute meist vom irakischen Kurdistan aus. Demgegenüber sind die letzten Anhänger des 1975 zum Schah geflüchteten und seitdem hundertprozentig zu Chomeini übergegangenen Barzani-Clans bei den irakischen Barzan- und Zibar-Kurden nur eine schwache fünfte Kolonne für Teheran.

Um so besser sieht es mit Chomeinis Anhängerschaft im schiitischen Südirak aus, der Saddam Hussein im iranischen Arabistan nur ein paar versprengte Jugendgruppen entgegenhalten kann. Basra hat sich seit Jahresanfang zum Ausgangspunkt von mit den Resten der irakischen KP liierten Stadtguerillas entwickelt. Sie führen ihre Anschläge bis hinauf nach Bagdad.

Es ist daher vielleicht auch schon Flucht nach vorne, wenn der starke Mann von Bagdad seine Kanonen an der iranischen Grenze gegen jene Mächte auffahren läßt, die er im Inneren nicht in den Griff bekommen kann.

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