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Balanceakt zwischen arm und reich

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Der eine Teil der Welt hungert, der andere lebt im Uberfluß: Achthundert Millionen Menschen auf der Welt sind es nach einer Studie der Weltbank insgesamt, die in absoluter Armut leben. Sie hungern, sind schlecht behaust und oft genug auch arbeitslos. Ein schier unlösbares Problem.

Derzeit steht die ganze Problematik wieder einmal auf der Tagesordnung einer internationalen Konferenz gigantischen Ausmaßes, diesmal in Manila, der Hauptstadt der Philippinen. Dort sitzen seit Montag vergangener Woche einige Tausend Minister und Beamte aus 150 Ländern bei der 5. Tagung der Welthandels- und Entwicklungskonferenz (UNCTAD V)^ zusammen, um Möglichkeiten zu erörtern, wie das Ungleichgewicht zwischen arm und reich in der Welt einigermaßen ausbalanciert werden kann (Vgl. „Stichwort“ UNCTAD auf Seite 2.)

Auf den ersten Blick scheint sich die Lösung des Problems prompt anzubieten: Die Gewichte sollen verschoben werden - reich gibt, arm nimmt. So ist denn auch die Forderung der „Gruppe 77“, der inzwischen 119 Entwicklungsländer angehören, daß die Weltwirtschaft, die internationale Währungspolitik und die Entwicklungspolitik durch eine „neue Weltwirtschaftsordnung“ grundlegend verändert werden müßten.

Angestrebt wird ein grundlegender wirtschaftlicher Strukturwandel, den die Industrienationen mit einer „massiven“ Unterstützung von Kapital und Technologie an die Entwicklungsländer herbeiführen sollen. Die Entwicklungshilfe der westlichen Welt soll um 35 bis 50 Millionen Dollar erhöht werden, von den reichsten Industrienationen - den USA, Japan und der BRD - wird in den nächsten drei Jahren eine durchschnittliche Steigerung ihrer finanziellen Hilfeleistungen um 25 Prozent verlangt.

Noch mehr: Die Dritte Welt will bis zum Jahr 2000 mit 25 Prozent an der Weltindustrieproduktion beteiligt sein und im internationalen Handel mit Fertigprodukten 30 (derzeit 8) Prozent erreichen. Außerdem sollen 40 Prozent der Exporte und Importe künftig mit eigenen Handelsflotten der Entwicklungsländer transportiert werden.

Festgelegt haben die Länder der Dritten Welt diesen Forderungskatalog für Manila im Februar dieses Jahres in Arusha /Tansania (Afrika). Doch ist in diesem Dokument nichts darüber enthalten, wo die zu erhöhende Entwicklungshilfe der Industrieländer eingesetzt werden soll. Kein Wunder, wenn die westlichen Staaten vorsichtiger geworden sind und wissen wollen, welche eigenen Anstrengungen die Länder für ihre Entwicklung im Auge haben. Denn die negativen Erfahrungen, die bei Entwicklungshilfeprogrammen in bestimmten Ländern gemacht wurden, lassen sich nicht wegdiskutieren.

Dazu kommt noch eines: Die Entwicklungsländer bilden zwar eine gemeinsame Phalanx, wenn sie mit Maximalforderungen an die Industrieländer herantreten, sind sich aber untereinander keineswegs so einig. Zu groß ist auch in der Dritten Welt der Unterschied zwischen reich (ölproduzierende Länder) und arm (rohstoffarme Länder). Im wesentlichen halten aber die Staaten der einzelnen Kontinente zusammen. So gibt es die

• A-Gruppe (afrikanische und asiatische Entwicklungsländer);

• C-Gruppe (lateinamerikanische Staaten).

Ihnen stehen gegenüber:

• B-Gruppe (Industrieländer mit marktwirtschaftlicher Ausrichtung);

• D-Gruppe (Ostblockländer: Sie sind zwar prompte Waffen- und Ideo-logielieferariten, von Entwicklungshilfe im eigentlichen Sinn wollen sie aber nicht allzu viel wissen).

Nur ein Beispiel für die schwierige Situation, in der sich die Entwicklungsländer befinden: Anläßlich der vierten Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (UNCTAD IV) in Nairobi/Kenia (Afrika) stand der von den Entwicklungsländern geforderte integrierte Rohstoff-Fonds im Mittelpunkt der Debatte. Mit ihm sollten die Preise für wichtige Rohstoffe dauerhaft stabilisiert und damit ein globales Steuerungssystem für den Rohstoffhandel geschaffen werden.

Die Industrieländer lehnten den Rohstoff-Fonds in der damals geplanten Form ab, da sie in ihm ein dirigistisches Instrument sahen. Länder mit vielen Rohstoffen hätten von dem Fonds profitieren können, arme Länder aber ebenso wie die industrialisierten Staaten einen höheren Preis für Rohstoffe und die aus ihnen gefertigten Waren zu bezahlen gehabt. Hier kollidierte das Eigeninteresse rohstoffreicher Länder mit der Gruppensolidarität zu armen Staaten der Dritten Welt.

Zustandegekommen ist im März dieses Jahres in Genf ein Kompromiß über die Grundelemente eines gemeinsamen Fonds, der aber noch vieles offenläßt. So weiß man noch immer nicht, welches die „richtigen“, also die 'Com Fonds zu stützenden Preise für die einzelnen Rohstoffe sind.

Kein Zweifel, daß die Industrieländer angesichts des Elends in Teilen der Welt ihre Entwicklungshilfe-Beiträge erhöhen müßten. Doch ist auch die Haltung der westlichen Welt verständlich, wenn sie genau umrissen haben will, welche entwicklungspolitischen Programme die Dritte Welt plant und welchen eigenen Beitrag die Entwicklungsländer leisten wollen. Denn die besten Ergebnisse hat die Entwicklungshilfe noch meistens gebracht, wenn sie als Hilfe zur Selbsthilfe eingesetzt worden ist.

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