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Balcerowicz neuer Premier?

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Am 25. November wählen die Po­len ihren Präsidenten.Von zuerst 14 Kandidaten aus allen Parteien konnten sich sieben offiziell regi­strieren lassen, weil sie die dafür nötigen 100.000 Unterstützungs­unterschriften erreicht haben. Es wird daher bis zwei Wochen nach­her zu einem Stechen zwischen den zwei stimmenstärksten Kandidaten kommen. Niemand zweifelt, daß sie Lech Walesa und Tadeusz Ma-zowiecki heißen werden.

Damit wird in jedem Fall eine Regierungsumbildung nach der Wahl notwendig. Unter Walesa als Präsident wird Mazowiecki als Pre­mierminister nicht mehr weiterar­beiten. „Die beiden können über­haupt nicht miteinander", heißt es in der Umgebung Mazowieckis. Und sollte der bisherige Ministerpräsi­dent gewählt werden, ist sein Amt auch erledigt. Als neuer Premier­minister ist bereits Finanzminister Leszek Balcerowicz im Gespräch.

Ungewiß ist noch, wie Gewerk­schaftsführer Walesa oder Premier Mazowiecki ihr Präsidentenamt ge­stalten können. Denn die neue Ver­fassung befindet sich erst im Sta­dium der Ausarbeitung. Das mehr­heitlich noch immer von den Kom­munisten (die sich jetzt Sozialisten nennen) beherrschte polnische Parlament sollte bis Frühjahr 1991 die neue Verfassung mit der Rechts­grundlage für das Präsidentenamt nach französischem Vorbild (wie es die Mehrheit der Polen wünscht) verabschiedet haben. Wird jedoch das Parlament vom neuen Präsidenten aufgelöst und werden Neu­wahlen ausgeschrieben, dann ist dieses Vorhaben gefallen.

Der angelaufene Wahlkampf in­teressiert die Polen wenig. Walesa verspricht radikale Reformen und rasche Privatisierungen, ohne kon­kret zu sagen, wie er sie durchzu­führen gedenkt: „Mein Name ist mein Programm." Mazowiecki steht für den behutsamen Weg zur Markt­wirtschaft, der Opfer nicht scheut. Der Polen triste wirtschaftliche Si­tuation wird durch Memoiren von Alt-Kommunisten aufgeheitert. Nach den Liebesabenteuern des früheren Regierungssprechers Jer-zy Urban sind jetzt die Erinne­rungen des 1980 entmachteten Par­teichefs Edward Gierek ein Best­seller. Der 80jährige rechnet mit seinen Nachfolgern Kania und Ja­ruzelski ab. Die Polen belustigen sich am öffentlich ausgetragenen Streit zwischen Gierek und Kania. Jaruzelski soll schon heimlich an seinen Memoiren arbeiten.

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