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Bald gibt es zu wenige Bauern

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Der Begriff „Landschaft" wird zwar häufig verwendet. Der „Bauer als Gestalter der Kulturlandschaft" ist sogar so etwas wie ein Hit in der politischen Diskussion. Die Bezeichnung „Kulturlandschaft" entlockt auch trockenen Subventionsquellen noch so manches Tröpfchen.

Trotzdem bleibt die Entwicklung unserer Landwirtschaft dem Wirken weltwirtschaftlicher Zufälle überlassen. Wir haben noch nicht definiert, wie wir unser Österreich wollen und wie wir es nicht wollen.

Kommassierungshofräte und Verbundgeneräle haben schon vorgezeigt, daß der Wille Berge versetzt und Ströme bändigt. Möglich ist viel. Aber bis auf einige vage Andeutungen im Landwirtschaftsgesetz betreiben wir Kulturlandschaftsgestaltung über die Marktordnung. Und die Marktordnung interessiert sich für Soja und nicht für Wiesen. Sie regelt den Milchpreis, aber nicht, woher das Futter kommt.

Die Marktordnung fördert technisierbare Regionen und spezialisierungsfähige Betriebe, aber sicher nicht die Erhaltung der Kulturlandschaft in ihrer Vielfalt. Ob Vielfalt in der Kulturlandschaft ein Ziel ist, ist nicht ausdiskutiert. Jeder Tag, den wir uns um diese Diskussion drücken, bedeutet irreversibles Vordringen des Waldes in wenig begünstigten Regionen mit progressiver Geschwindigkeit.

Kulturlandschaft ist eine Frage der kulturellen Eigendefinition Österreichs. Erst in zweiter Linie ist sie eine Frage des Naturschutzes. Letztendlich geht die Kornblume nur wenigen Menschen wirklich ab. Und ob jedes Tiroler Hochtal wirklich gemäht werden muß, wird in Naturschutzkreisen immer Stoff für lebhafte Diskussionen hergeben.

Die Diskussion um die Kulturlandschaft muß von den Bauern ausgehen und in erster Linie von ihnen selbst geführt werden. Die offenen Fragen sind:

□ Welche Landschaften wollen wir erhalten?

□ Welche Landschaften wollen wir wieder reichhaltiger machen?

□ Welche Landschaften überlassen wir dem natürlichen Vordringen des Waldes?

□ Welche Produktionsregionen überlassen wir dem internationalen Wettbewerb und dem entsprechenden Strukturwandel?

□ Werden wir Bauern haben, die unter neuen Bedingungen die Aufgaben übernehmen?

Zum Schluß geht's auch ums Geld. Erst wenn wir wissen, wohin wir wollen, wird sich auch das nötige Geld dafür finden. Der akute Nachwuchsmangel in allen Regionen zeigt, daß die vorhandenen Geldmittel und Instrumentarien noch nicht ausreichen.

Österreichs Kulturlandschaft ist in der Zeit von Jahrtausenden entstanden, kam in wenigen Jahrzehnten in die Krise und wird in wenigen Jahren verloren sein, wenn wir uns nicht bald entscheiden können. Modelle gibt es, zum Beispiel beim niederösterreichischen Distelverein.

Jede Bauerngeneration mußte noch ihr Leitbild selbst definieren: In der Zeit der Unfreiheit, des Nachkriegshungers, während der chemisch-technischen Revolution und eben auch in unserer Zeit mit ihren vielfältigen, völlig neuen Herausforderungen.

Für die vielen Aufgaben wird es bald zu wenige Bauern geben. Neue Organisationsformen werden sich am Land notgedrungenermaßen etablieren.

Es wird Bauern geben, die einer verlorenen Vergangenheit nachweinen, alt gewordene Agrarromantiker beklatschen und die „böse Welt" nicht mehr verstehen. Und es wird Bauern geben, die die Herausforderungen der Zeit annehmen, neue Erwerbszweige erschließen, auch Landschaft bewußt produzieren und dabei doch das wesentliche weitertragen: das Leben und Arbeiten mit dem Wunder der Schöpfung, in der Einheit von Arbeitsplatz und Lebensort der Familie, in freier Verantwortung und Kooperation mit anderen selbstbewußten Bauern.

Aus: „Selbstbewußt Bauer und Unternehmer bleiben", Aus erster Hand 2/92. Herausgegeben vom Österreichischen Bauernbund

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