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Bananenrepublik
Was war das für ein deutschdeutsches Herzen und Küssen, als vor zwei Wochen die ersten Ostberliner nach Westberlin strömen durften, und die übrige DDR-Bevölkerung freien Grenzübertritt in die „Bä Ärr Dä“ hatten!
Inzwischen ist jedoch schon weithin wieder der Normal-fallvon Verwandtenbesuchen erreicht: „Also, dann wolln wir euch nicht länger aufhalten, Brüder und Schwestern. Fahrt rechtzeitig heim, daß ihr nicht in den Stau kommt!“
Die rasante Entwicklung in der DDR zur Demokratisierung nach 40 Jahren Kuschen überrumpelt nicht nur uns „Bundis“, die derzeit von Bananen grapschenden „Zonis“ in allen grenznahen Städten überschwemmt werden.
Das Faszinierendste ist für mich der sofort erbrachte Beweis, daß in der DDR nur Erich Honecker mit vielleicht drei bis vier Spießgesellen wirklich gläubiger Kommunist gewesen ist. Fast dreißig Jahre lang mußten sie rund 17 Millionen verkappte Widerstandskämpfer in Schach halten.Wie gut, daß alle Mitglieder der Volkskammer und alle ZK-Bonzen bis zu den Bezirksfürsten und Stadtkommissaren der SED ihren unbändigen Reformdrang und ihre tief im Herzen sitzende Regimekritik nie laut geäußert haben: Der böse alte Erich hatte die ganze Partei samt den synchronisierten Schwesterparteienpersönlich ausgerottet!
Wie gut paßt es da auch, daß nun unsere Bundesregierung, allen voran die bayerische CSU, sofort freie Wahlen forden. Dannsind nämlich die gleichen wieder an der Macht wie bisher.
Als die Grenzen geöffnet wurden, haben bei uns alle Politiker und Parteien unisono verkündet: Jetzt muß die Bundesrepublik mit massiver wirtschaftlicher Hilfe den Reformprozeß in der DDR unterstützen und absichern! Heute fangen die ersten an zu begreifen, daß ein paar hundert Millionen Mark für „Begrüßungsgeld“ nur eine gesponserte Weihnachtsfeier für die verarmten Verwandten ist, die zudem bei den sozial schwachen Bundesbürgern sofort Neidkomplexe auslöst.
Man hat auch begriffen, daß man nicht einfach Milliarden Summen in ein marodes Wirtschaftssystem pumpen kann. Und daß man allein mit Lebensmittelspenden und Konsumzuschüssen aus der DDR wirklich eine Bananenrepublik macht.Vor allem aber ist die gegenseitige Schuldzuweisung unserer Bonner Parteien sowie der erbitterte Streit um „Wiedervereinigung sofort oder später?“ bereits zu einem schönen Beispiel für „deutsche Einheit“ geworden.
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