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BANKEN ODER FINANZSUPERMARKTE?

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Weitreichende Veränderungen im Bereich der Regulierungen sowie die Liberalisierung des Kapitalverkehrs und des Handels mit Dienstleistungen werden zu umfangreichen Veränderungen bei den Banken führen (Seite 13).

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Weitreichende Veränderungen im Bereich der Regulierungen sowie die Liberalisierung des Kapitalverkehrs und des Handels mit Dienstleistungen werden zu umfangreichen Veränderungen bei den Banken führen (Seite 13).

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1. In den achtziger Jahren waren die Geschäftsfelder der Banken von drei Seiten unter Druck geraten, nämlich durch das Vordringen expansiver asiatischer, vor allem japanischer Banken, durch die zunehmende Überschneidung mit den Aktivitäten anderer Finanzdienstleister und durch Warenanbieter, die gleichzeitig auch Finanzdienste mitverkaufen.

Der Druck durch die japanischen Banken dürfte in der Folge nachlassen, weil diese (unter anderem wegen ihrer geringen Eigenkapitalausstattung, des Verfalls der Tokioter Börse und der Immobilienpreise) selbst in Schwierigkeiten geraten sind, und auch ein stärkeres Vordringen in das Massengeschäft in Europa oder den USA wegen der kulturellen Unterschiede unwahrscheinlich erscheint.

Die Überschneidung und Konkurrenz mit den Geschäftsfeldern anderer Finanzinstitutionen (etwa der Versicherungen) wird hingegen zunehmen. Das Risikomanagement im Kundengeschäft und das Veranlagungs-Management sind Berührungspunkte, die die Zusammenarbeit intensivieren werden und auch zum Allfinanzgedanken geführt haben, der an Bedeutung gewinnen wird.

Die Warenanbieter haben im Bereich der Absatzfinanzierung und des Leasing bereits stark Fuß gefaßt und werden die Banken in diesem Sektor stark konkurrenzieren. Als Beispiel seien die Automobilproduzenten genannt, von denen einige bereits über Vollbanklizenzen verfügen. Zusätzlicher Wettbewerb könnte auch durch die Anbieter elektronischer Netze entstehen, über die der Zahlungsverkehr außerhalb der Banknetze durchgeführt werden kann, etwa im Bereich von Warenhäusern, Tankstellen und bei der Flugreservierung.

Diese Phänomene sind unter den Schlagworten Electronic Data Inter-change (EDI), Point of Sale (POS) und anderen bekannt geworden. Die Banken werden diesen Wettbewerb nur bestehen können, wenn sie ihre Netze schneller und billiger (!) machen.

2. Die Notwendigkeit, die Industrien der einzelnen Länder mit Risiko- und Beteiligungskapital zu versorgen, wird in den neunziger Jahren stark zunehmen. Die entscheidende Differenzierungsmöglichkeit wird in der Spezialisierung der Kundenprodukte bestehen. Die interessanten Wachstumsmöglichkeiten werden dabei weniger in der Akquirierung von Großprojekten liegen, sondern bei den maßgeschneiderten Lösungen nicht nur für Großunternehmen, sondern auch für die mittelständische Wirtschaft. Unter einer solchen Strategie des „struetured finance" wird das Zusammenfügen verschiedener Elemente nach Laufzeiten, Währungen und Instrumenten zu einem speziellen Angebot verstanden.

Auch im Privatkundenbereich wird Spezialisierung erforderlich sein. Der Privatkunde wird immer anspruchsvoller und verlangt nicht den Verkauf eines Massenprodukts, sondern die Lösung seines speziellen Problems. Die Angebote der Passivseite werden sich dadurch merklich verteuern. Die Beratungsqualität wird deutlich zunehmen müssen; nur dann werden die Kunden bereit sein, in anderen Bereichen Selbstbedienungsangebote zu akzeptieren. Im verbleibenden Massengeschäft wird Standardisierung in hohem Ausmaß notwendig sein, um entsprechende Kosteneffekte zu erzielen.

3. Bezüglich der Betriebs- und Vertriebssysteme ist zunächst der überproportionale Anstieg der Kosten des stationären Vertriebs festzuhalten. Dabei haben sich insbesondere die sogenannten Leerkosten erhöht, das sind die Kosten unausgela-steter Produktionsfaktoren, als Konsequenz starrer Arbeitszeiten und geringerer Kundenfrequenz. Alternativen zum stationären Vertrieb sind das Home Banking und die Kundenselbstbedienung, wo große Rationalisierungsmöglichkeiten gegeben erscheinen. Erfahrungswerte zeigen, daß ein multifunktionales Selbstbedienungsgerät bis zu zwei Beschäftigte einzusparen vermag. Dazu kommt die Möglichkeit des mobilen Vertriebs durch die Mitarbeiter.

4. Viele Entwicklungen, Geschäftsfelder und Instrumente sind erst durch den Einsatz der Computertechnologie möglich geworden. Heute gilt der Grundsatz, daß jede Bank so gut ist wie ihre Informationssysteme. Diese Tendenz wird sich zweifellos fortsetzen und verschärfen. Allerdings ist die Computertechnologie schwerfällig, schwierig umzugestalten und erfordert spezielles Know-how. Hier werden Investitionen in hohem Umfang notwendig sein.

5. Dem quantitativen und vor allem auch qualitativenWachstum des Finanzsektors sind jedoch Grenzen von seiten der Ressourcen gesetzt. Solche Grenzen zeigen sich im Bereich von □ Eigenkapital: Die Vorschriften für Eigenkapital-Mindesterfordernisse wurden in vielen Ländern angehoben. Dies bedeutet steigenden Eigenmittelbedarf, der aber nur befriedigt werden kann, wenn entsprechende Gewinnmöglichkeiten bestehen.

□ Risiken: Immer neue Risiken treten auf, deren Beherrschung schwieriger wird.

□ Institutsgrößen: Hier stellt sich die Frage nach der Beherrschbarkeit und Überschaubarkeit zu groß geratener Institute.

□ Menschliche Ressourcen: Der Bedarf an qualifizierten Fach- und Führungskräften wird zunehmen. Hier wird vor allem die Aus- und Weiterbildungskapazität der Banken selbst gefordert sein.

In Europa im speziellen wird die Entwicklung der nächsten Jahre vor allem von der EG-Integration und der Verwirklichung des Binnenmarktkonzepts geprägt sein. Weitreichende Veränderungen im Bereich der Regulierungen, die Liberalisierung des Kapitalverkehrs und des Handels mit Dienstleistungen werden zu umfangreichen Veränderungen in der europäischen Bankenlandschaft führen. Die Frage ist nun, wie die Banken auf diese Herausforderungen reagieren, welche Strategien sie zu deren Bewältigung entwickeln werden und wie die Marktstrukturen nach 1992 aussehen könnten.

Im Europäischen Binnenmarkt sollen bezüglich des Bankensektors die Ziele der Freiheit der Niederlassung, des unbeschränkten Angebots von Finanzdienstleistungen und des ungehinderten Kapital Verkehrs verwirklicht werden. Die Umsetzung dieser Ziele wird durch eine Anzahl von Richtlinien erreicht, worauf hier nicht im Detail eingegangen werden soll. Ihre Umsetzung wird jedenfalls Jahre in Anspruch nehmen und einen tiefgreifenden strukturellen Anpassungsprozeß im europäischen Bankwesen nach sich ziehen.

Fest steht, daß ein Prozeß zunehmender Konkurrenz in Gang kommen wird, von dem die Konsumenten durch eine größere Vielfalt von Produkten und durch niedrigere Preise profitieren werden. Die Banken werden in hohem Ausmaß Preis-, Kosten-, Produkt-, Organisations-, Betriebsgrößenstrukturen sowie ihre Marktschwerpunkte anpassen müssen. Seriöse Studien weisen darauf hin, daß es im Laufe dieses Prozesses mehr Verlierer als Gewinner geben wird, wobei die Großbanken nicht von vorneherein zu den Gewinnern zählen werden.

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