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Baseball - wichtiger?

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Der neuerliche militärische Ausbruch des arabisch-israelischen Konflikts hat die amerikanische Öffentlichkeit und das offizielle Washington ebenso überrascht wie die Israelis selbst. Wohl wird jetzt zugegeben, daß man die Konzentration ägyptischer und syrischer Kräfte schon längere Zeit mit Besorgnis beobachtet habe — man habe auch die Israelis gewarnt —, doch wurde dieser Aufmarsch als Begleitmusik für die UNO-Generalversammlung gewertet, als eine Geste, die den arabischen Drohungen mehr Nachdruck verleihen sollte. Überrascht hat in den USA nicht bloß der militärische Anfangserfolg der Ägypter und Syrer, sondern auch die kompetente Vorbereitung des Angriffes — sowohl was seine Durchführung als auch was seine Geheimhaltung anlangt. Niemals hätte man den Ägyptern so komplizierte Manöver zugetraut wie den Brückenschlag über den Suezkanal innerhalb weniger Stunden. Somit haben die Araber sicherlich von negativen Klischees profitiert, die ihnen seit dem israelischen Blitzsieg von 1967 nachhängen.

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Der neuerliche militärische Ausbruch des arabisch-israelischen Konflikts hat die amerikanische Öffentlichkeit und das offizielle Washington ebenso überrascht wie die Israelis selbst. Wohl wird jetzt zugegeben, daß man die Konzentration ägyptischer und syrischer Kräfte schon längere Zeit mit Besorgnis beobachtet habe — man habe auch die Israelis gewarnt —, doch wurde dieser Aufmarsch als Begleitmusik für die UNO-Generalversammlung gewertet, als eine Geste, die den arabischen Drohungen mehr Nachdruck verleihen sollte. Überrascht hat in den USA nicht bloß der militärische Anfangserfolg der Ägypter und Syrer, sondern auch die kompetente Vorbereitung des Angriffes — sowohl was seine Durchführung als auch was seine Geheimhaltung anlangt. Niemals hätte man den Ägyptern so komplizierte Manöver zugetraut wie den Brückenschlag über den Suezkanal innerhalb weniger Stunden. Somit haben die Araber sicherlich von negativen Klischees profitiert, die ihnen seit dem israelischen Blitzsieg von 1967 nachhängen.

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Kaum war jedoch die erste Ernüchterung über die israelischen Rückschläge auf Sinai verflogen, als die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf den Rücktritt Vizepräsident Agnews und die Nominierung eines Nachfolgers gelenkt wurde. So rückt Im Augenblick der Abfassung dieses Artikels der Krieg im Nahen Osten auf den zweiten Rang in der amerikanischen Presse, wobei gar nicht so sicher ist, ob die Entscheidungskämpfe im Baseball {World Series) nicht überhaupt alles überschatten.

Man darf sich beim Abhören des Echos auch nicht auf New York, Washington oder andere große Städte mit starker Konzentration jüdischer Amerikaner beschränken. In New York ist die Anteilnahme am Schicksal Israels natürlich überwältigend.

Auf dem flachen Lande draußen ist jedoch die Anteilnahme am Schicksal Israels weniger ausgeprägt. Dort zeigt man überhaupt weniger Interesse an internationalen Verwicklungen, man will sein gere-

geltes Alltagsleben möglichst ohne Störungen ablaufen lassen und ist selbst über die ständigen innenpolitischen Hiobsnachrichten aus Washington verärgert.

Präsident Nixon hat unmittelbar nach dem Ausbruch des Konflikts in Anwesenheit führender Parlamentarier beider Parteien eine Erklärung abgegeben, derzufolge beide Seiten zur Einstellung der Kampfhandlungen und zur Zurücknahme der Fronten auf die Linien, die vor der neuerlichen Kampf handlung bestanden haben, aufgefordert werden. Die amerikanische Regierung werde sich aus dem aktiven Kampf geschehen heraushalten. Rein äußerlich und optisch entspricht diese Politik auch der sowjetischen Haltung.“ Beide Großmächte halten ihre Streitkräfte in einem Respektabstand vom Kriegsschauplatz. Die amerikanischen Flotteneinheiten liegen vor Kreta, die Sowjets sollen angeblich ihre Techniker und Berater aus Syrien und Ägypten wenige Tage vor dem Ausbruch des Konfliktes abgezogen haben. Kritiker des israelischen Geheimdienstes, betonen übrigens, daß allein schon diese Abberufung die Israelis hätte warnen sollen. Inzwischen haben jedoch beide Seiten so schwere Materialverluste erlitten, daß das Pro-

blem des Ersatzes zu einem sehr ernsten Konfliktstoff zwischen den beiden Supermächten wurde. Zunächst hatte die amerikanische Presse von einer gewaltigen sowjetisch-arabischen Luftbrücke berichtet, die Waffen in die arabischen Arsenale befördere. Demgegenüber hätten die Amerikaner nur Munition und Raketen an Israel geliefert. Diese Zurückhaltung wurde jedoch inzwischen aufgegeben. Die Spannung zwischen den Großmächten wuchs damit bedrohlich, und Kissinger warnte die Sowjets zweimal vor einer proarabischen Intervention, die das zarte Pflänzchen der amerikanisch-sowjetischen Detente zerstören würde.

Man erkennt in all dem ein deutliches amerikanisches Bestreben, der Entspannungspolitik Priorität einzuräumen, solange das überhaupt möglich ist! Dafür ist man bereit, sowjetische Übergriffe zu ignorieren, auch massive sowjetische diplomatische Interventionen, denen nicht zuletzt auch das formelle Eintreten Jordaniens in den Krieg zuzuschreiben ist. Man gewinnt oft den Eindruck, daß die Araber nicht nur ihre eigenen Interessen, sondern primär jene der Sowjetunion verfolgen.

Dagegen sind die Amerikaner wegen der arabischen Drohungen, die öllieferungen einzustellen, nicht sonderlich besorgt. Die Vereinigten Staaten importieren nur etwa 8 Prozent ihres Bedarfes aus den Ländern des Nahen Ostens. Es geht hier eigentlich mehr um die Zukunft, da zunehmende Industrialisierung und Motorisierung den Importbedarf steigern werden. Was aber die Gegenwart betrifft, so würde bereits eine geringfügige Rationierung den Ausfall aus den arabischen Ländern überbrücken. Abgesehen davon, spekuliert man auf den großen Geldbedarf der Araber, denn auch die Sowjetunion läßt sich ihre Waffenlieferungen bezahlen und der Krieg verschlingt auch auf arabischer Seite Unsummen. Viel einschneidender ist dieses Problem für das freie Europa, das fast mit der Hälfte seines Bedarfes vom arabischen öl abhängt. Damit werden auch Probleme für die NATO aufgeworfen, die den Verteidigungsblock der freien Welt in eine gewisse Interessengemeinschaft mit den Israelis rücken, wie das kürzlich der Holländer Luns zum Ausdruck gebracht hat.

Auch auf diplomatischer Ebene wiederholt sich der Konflikt, mit gleicher Frontstellung der Großmächte, wobei Rotchina ebenfalls die arabischen Ziele unterstützt. Während in der UNO die Sowjets die Rückgabe der 1967 eroberten Gebiete durch Israel verlangten, unterstützten die Vereinigten Staaten

die israelische Forderung nach Rücknahme der Streitkräfte auf die Demarkationslinie von 1967. Österreich dagegen vertrat im Sicherheitsrat eine mittlere Linie. Es forderte die sofortige Einstellung der Kampfhandlungen, wo immer sich die Armeen gerade befänden. Ähnliche Vorstellungen vertraten auch Großbritannien und andere westeuropäische Nationen. Es muß jedoch hinzugefügt werden, daß diese Haltung in den ersten Tagen nach dem Ausbruch des Konfliktes weniger neutral klang als heute. Damals hatten die Araber im ersten Überraschungsangriff nicht nur Teile der Sinaihalbinsel, sondern auch der Golanhöhen erobert. Österreich verfolgt also in der UNO eine eher proarabische Linie, die es auch schon vor dem Ausbruch des Konfliktes eingeschlagen hatte und die dann durch die Entscheidung der Bundesregierung im Geiseldrama von Schwechat bestätigt wurde.

Die UNO ist überhaupt ein für Israel ungünstiges Forum. Die Animosität der sogenannten Dritten Welt gegen die USA überträgt sich schon seit längerer Zeit auf Israel, den Exponenten amerikanischer Politik im Mittelosten, so daß Israel über nur sehr wenige Freunde in der UNO verfügt. Der israelische Angriff von 1967 hat nicht bloß die arabischen Staaten getroffen, sondern symbolisch auch die neuen Staatsgebilde in Afrika, denen wieder einmal die technologische und militärische Überlegenheit der Weißen demonstriert wurde.

Wie sahen nun die Amerikaner den weiteren Verlauf des Konfliktes? Zunächst glaubte das Pentagon, daß die Israelis stark genug seien, um wieder eindeutig die Oberhand zu gewinnen. Zugleich auch war sich die amerikanische Diplomatie darüber im klaren, daß ein einigermaßen gesunder Zustand des Zusammenlebens zwischen Israel und seinen arabischen Nachbarn israelische Konzessionen territorialer Natur voraussetzt. Dieser Konflikt wird jedenfalls für beide Seiten eine Lehre sein. Die Israelis werden erkennen, daß sie militärisch nicht mehr so überlegen sind wie sie nach der arabischen Blamage von 1967 glaubten. Die Araber aber werden ihren Minderwertigkeitskomplex ablegen müssen und nach einer durchaus honorigen militärischen Leistung Konzessionen an das israelische Sicherbeitsbedürfnis einräumen können. Es sei daher, meint man in Washington, nicht undenkbar, daß dieser Konflikt und sein militärischer Ablauf eine günstigere Ausgangsposition für ein dauerhaftes Arrangement albgeben könnten, als der bisherige Zustand des kalten Krieges im Nahen Osten.

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