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Bauern brauchen nationalen Konsens

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Die Vemachlässigung des bäu- erlichen Familienbetriebes, der Land- und Forstwirt- schaft und damit der heimischpn Umwelt im Grundtext fiir den Sozialhirtenbrief ist auf eine einseiti- ge Betrachtungsweise in alteinge- fahrenen sozialpartnerschaftlichen Kategorienzurückzuführen. Die Gesellschaft wird da weitgehend auf Arbeitnehmer und Arbeitgeber re- duziert. Der bäuerliche Familien- betrieb aber ist Arbeitgeber und Arbeitnehmer in einem.

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Die Vemachlässigung des bäu- erlichen Familienbetriebes, der Land- und Forstwirt- schaft und damit der heimischpn Umwelt im Grundtext fiir den Sozialhirtenbrief ist auf eine einseiti- ge Betrachtungsweise in alteinge- fahrenen sozialpartnerschaftlichen Kategorienzurückzuführen. Die Gesellschaft wird da weitgehend auf Arbeitnehmer und Arbeitgeber re- duziert. Der bäuerliche Familien- betrieb aber ist Arbeitgeber und Arbeitnehmer in einem.

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Den Bauem wurde bisher im In- teresse möglichst niedriger Lebens- haltungskosten fiir die Allgemein- heit von der Mehrheit der Sozial- partner ein Überleben nur bei höchstmöglicher Rationalisierung der Produktion zugestanden. Die Frtichte dieser unter großen An-

Abhängig - oder Schutz?

strengungen untemommenen Ratio- nalisierungsmaßnahmen sind alien übrigen Bevölkerungskreisen weit starker zugute gekommen als den Bauern selbst.

In einem schmerzhaften Struk- turwandel ist der bäuerliche Bevöl- kerungsanteil ebenso rasch zuriick- gegangen, wie seine Produktions- leistungen stiegen. Die damit ver- bundenen Belastungen der Umwelt und die Kosten der Überschußver- wertung aber werden jetzt wieder einseitig den Bauem zum Vorwurf gemacht. Diese haben gleichzeitig am meisten unter den Umweltschä- den zu leiden, die vom Massenver- kehr, von Industrie und Gewerbe und von den Konsumgewohnheiten einer Wegwerfgesellschaft verur- sacht werden.

Diebäuerlichenlnteressenvertre- tungen und Selbsthilfeorganisatio- nen wurden und werden nicht miide, auf diese Situation aufmerksam zu machen und Abhilfemaßnahmen im Bereich der Umwelt- und Wirt- schaftspolitik, der Agrar-, Sozial-, Kultur- und Bildungspolitik vorzu- schlagen. Eine umweltschonende Nahrungsmittel- und Rohstoffpro- duktionkann aber ebensowenig wie eine nachhaltige Umweltpflege zum Nulltarif betrieben werden. Gerade aus der Sicht der katholischen So- ziallehre muß auch die bäuerliche Arbeit - in Osterreich ebenso wie in der Dritten Welt - ihres gerechten Lohnes wert sein.

Es ist recht eng und schief gese- hen, wenn es in der Einleitung des Kapitels “Landwirtschaft“ im “Grundtext“ des Sozialhirtenbrie- fesheißt: “ Die Bauem, und mit ihnen die ländlichen Regionen sind ab- hängig von Organisationen, Indu- strien, Regelungen der Marktord- nung und Bedingungen des Welt- marktes.“

Gerade als zahlenmäßig immer kleiner werdende Minderheit brauchen die Bauem ihre Organisationen, Industrien und Regelungen der Marktordnung zum Schutz vor den Bedingungen des Weltmarktes be- sonders notwendig. Abhängig hingegen sind sie und mit ihnen die landlichen Regionen von einem nationalen Konsens über die be- rechtigten Forderungen der Land- und Forstwirtschaf t und der bäuer- lichen Familienbetriebe. Solange es diesen Konsens und die notwendi- genKonsequenzen daraus nicht gibt, miissen die besten agrarpolitischen und ökosozialen Programme fiir Bauem und Umwelt Papier bleiben, denn keine politische Partei ist al- leine groß und stark genug, ihre Verwirklichung durchzusetzen.

Umso größer ware bier die Aufga- be, aber auch die Chance fiir einen Sozialhirtenbrief der österreichi- schen Bischöfe, sich zum Anwalt der Umwelt und damit auch der Land- und Forstwirtschaft und der bäuerlichen Familienbetriebe zu machen. Und zwar nicht durch unverbindliche Solidaritätserklä- rungen, sondem durch die katego- rische und nicht mehr verstummen- de Forderung nach Institutionali- sierung einer Umweltpartnerschaft zur dringend notwendigen Ergän- zung und Emeuerung der bestehen- den Sozialpartnerschaft.

Eine solche Umweltpartnerschaft müßte eine neue Umweltmoral der Gesamtbevölkerung zum Ziele haben, sie auch wirtschaftspolitisch untermauem und damit den Stel- lenwert des bäuerlichen Familienbetriebes in Gesellschaft und Wirt- schaft neu begriinden.

Die ideellen und materiellen Hilfen, derendiebäuerlichenMenschen und die landlichen Regionen bediir- fen, müßten als lebensnotwendige Investitionen in die gemeinsame Zu- kunft in alien Belangen genau erar- beitet, öffentlich diskutiert, gerecht eingesetzt und effizient gemacht werden.

Gerade durch den Sozialhirtenbrief könnte und müßte das ge- schwisterliche Verständnis der An- gehörigen aller Bevölkerungs- und Berufsgruppen, die einem Hirten- wort zugänglich sind, für eine solche Umweltpartnerschaft geweckt und vertieft werden. Im öffentli- chen Leben stehende, verantwor- tungsbewußte Laien aller politi- schen Richtungen müßten sich für deren Verwirklichung einsetzen.

Durch die gerechte Abgeltung der umweltrelevanten Leistungen der Bauem müßte es möglich sein, ihr Einkommen dem durehschnittlichen Einkommensniveau in Osterreich anzupassen, ungerechtfertigte Subventions vorwtirfe zu beseitigen und das bäuerliche Selbstwertgefühl ebenso wie die soziale und wirt- schaftliche Position der bäuerlichen Familienbetriebe zu festigen. Die bäuerliche Selbst- und Nachbar- schaftshilfe kann dadurch im zwi- schenmenschlichen Bereich nur an Bedeutung gewinnen.

Eine gerechte Abgeltung

Die Bauem können und werden sich dem Appell an ihre Verantwor- tung fiir die Umwelt nicht entzie- hen. Sie hoffen aber auch auf die Unterstiitzung ihrer berechtigten eigenen Anliegen durch die morali- sche Autorität der Bischöfe in deren Sozialhirtenbrief.

Der Beitrag ist eine Stell ungnahme des Nieder- österreichischen Bauembundes der ÖVP.

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