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Baufälliger Schandfleck im Bezirk

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Vor tghn Jahren wurde das Wohn-, Büro- und Frei^it-Zentrum am Areal der Wiener Rennwegkaserne geplant

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Vor tghn Jahren wurde das Wohn-, Büro- und Frei^it-Zentrum am Areal der Wiener Rennwegkaserne geplant

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Zu den vielen Versprechungen, die von den SPÖ-Bautenmini-stern Josef Moser, Karl Sekanina und Heinrich Ubleis gemacht worden sind, gehört der Abbruch des Schandflecks des dritten Wiener Gemeindebezirks: der zwischen Rennweg, Oberzellergasse und Landstraßer Hauptstraße stehenden Rennwegkaserne. Zehn ungeduldig gewordene Architekten fordern von Wirtschaftsminister Robert Graf, er möge das Wort seiner Vorgänger einlösen. Zehn von insgesamt fünfzig Architekten sind nämlich 1977 von Bautenminister Moser im Rahmen eines städtebaulichen Wettbewerbs mit der Auflage, aus dem 93.676 Quadratmeter großen Areal der Rennwegkaserne einen lebendigen Stadtteil mit Amtsräumen, 600 bis 800 Wohnungen, einer öffentlichen Grünanlage sowie einem Einkaufszentrum und verschiedenen Freizeiteinrichtungen zu machen, für ihre Pläne mit je 300.000 Schilling prämiiert worden. Innerhalb von drei Jahren — so lautete Mosers Auftrag — sollten die siegreichen Entwürfe zu einem baureifen endgültigen Projekt ausgearbeitet werden.

Zudem war die Rede davon, daß der Bund als Besitzer der Rennwegkaserne den 1742 als Waisenhaus konzipierten, 1785 — nach Aussiedlung der elternlosen Kinder - zur Kaserne umfunktionierten Bau, in dem ab 1896 das berühmte Deutschmeister-Regiment untergebracht war und das seit Ende des Zweiten Weltkrieges von Dienststellen des Innen-, Bauten- und Finanzministeriums genutzt wird, den Abbruch bezahlen würde. Den Neubau hätten hingegen Bund, Gemeinde Wien, Wohnbaugenossenschaften und private Gesellschaften zu berappen. Stehen bleiben sollten nur die denkmalgeschützten Teile: die barocke Waisenhauskirche samt Pfarrhof sowie ein Reitstall, der in den letzten Jahren zur Garage des Gendameriezentralkomman-dos degradiert worden ist.

1977 nannte Minister Moser 1980 als Jahr des Baubeginns. 1984 wurde um 25 Millionen Schilling im 1.400 Quadratmeter großen Mitteltrakt eine Lehrwerkstätte der Höheren Technischen Lehranstalt Schellinggasse adaptiert. Die Architekten des Wettbewerbs erfuhren erst aus den Zeitungen davon, man teilte ihnen dann mit, daß der mit großzügigen Elek-troinstallationen und aufwendigen Blitzschutzanlagen versehene Trakt „natürlich” bei Baubeginn der Spitzhacke zum Opfer fallen würde.

Ein Lokalaugenschein vermittelt den Eindruck einer baufälligen Kaserne in Ostgalizien zur Zeit der Jahrhundertwende. In den unübersichtlich langen Gängen stehen Kohlenkisten, die düsteren Büroräume werden mit gußeisernen Ofen beheizt. Meterhohe Abzugsrohre werden von Blumendraht gehalten, der Wind über den Rauchfängen oder der Sonnenschein lassen durch die jahrhundertealten Kamine Koh-lenmonoxyd eindringen.

ÖVP-Gemeinderat Robert Kauer möchte — bislang auch ohne Ab- und Aussprache mit den Architekten, die ihre Pläne längst baureif ausgearbeitet haben -, daß der Schandfleck seines Bezirks rasch einer den Bürgerwünschen entsprechenden Wohnhausanlage sowie einem Hallenbad Platz macht. Heimische Archäologen träumen davon, das Gelände untersuchen zu dürfen. Genau unter dem im 18. Jahrhundert verbauten Areal vermuten sie nämlich die Reste des Forums der römischen Zivilstadt Vindobona.

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