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Baustelle Europa

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Stacheldraht in einer Holzschatulle: Das vom ungarischen Botschafter in Wien dem österreichischen Außenminister Mock überbrachte Symbolgeschenk hat es in sich: Ist es ein Abschied nicht nur vom Eisernen Vorhang, sondemauch von der seit 1945 geltenden europäischen Nachkriegsordnung?

Die Ereignisse der letzten Wochen überschlugen sich in ihrem Symbolgehalt, so daß kein Kommentar die Dramatik des Geschehens angemessen wiederzugeben vermag: Der sowjetische Staats- und Parteichef Gorbatschow als Volksliebling in Westdeutschland, als Nationalgast in Frankreich, als europäischer Staatsmann in Straßburg, als umkämpfter Reformanführer beim Ostblockgipfel in Bukarest; und die Kehrseite der Medaille: US-Präsident Bush als Volksstar in Polen und Ungarn. Bricht eine neue Weltordnung aus?

Es gilt, von der Eruption der Gefühle Daten und Fakten zu trennen. Was steht fest? Einmal, daß der Kommunismus sowjetischer Prägung ideologisch, politisch und wirtschaftlich am Ende ist und Gorbatschow als erster Oberkommunist bereit ist, das auch zuzugeben. Das heißt: Der Richtigkeit seiner Diagnose können sich auch jene nicht entziehen, die beim Treffen des Warschauer Paktes aite Positionen und Strukturen zu verteidigen versuchten: Rumänien, die CSSR und die DDR. Zwischen ihnen und den Reformkommunisten in der UdSSR, in Polen und in Ungarn tobt also nur ein Streit um Taktik. Aber auch in den Bremserländem herrscht Ratlosigkeit.

Möglicherweise ist die Unsicherheit bei jenen, die vorwärtsdrängen, kaum geringer. „Daß niemand weiß, wie weit er gehen darf, um nicht alles zu verlieren, statt das Gewollte zu erreichen, ist ein schreckliches Problem für alle“, beschrieb der finnische Handelsminister Suominen das Dilemma. Es ist daher wichtig, die Entwicklung nüchtern, mit Sympathie, aber ohne wichtigtuerische Einmischung zu verfolgen. Wenn wir helfen können, wird man es uns wissen lassen.

Am sinnvollsten wäre es wohl, gemeinsame Anliegen international zur Sprache zu bringen und nach Lösungen zu suchen. Zusammenarbeit in der Wirtschaftspolitik (die UdSSR will es zunächst mit der EFTA versuchen, aber natürlich gilt ihr Hauptinteresse der EG), aber auch in der Umweltpolitik könnten beispielgebend sein. Und Kultur, wie Erhard Busek zurecht ergänzte.

Wichtig bleibt, daß der Bau am „gemeinsamen Haus Europa“, das Gorbatschow erträumt, als große Baustelle mit vielen unerledigten Aufgaben bewußt bleibt. Je realistischer alle bleiben, umso geringer ist die Gefahr, daß es sich eines Tages als Luftschloß erweist.

DIE FURCHE

Liebe Leserinnen und Leser!

Nein, Hellseher, die eine Woche im voraus Gromykos Tod kommentieren, „Bauun-treuhand“-Machinationen auffliegen lassen und Noricum-Entwicklungen kennen, sind wir keine: Es war ein schlichter Fehler der Druckerei, daß die vorwöchige FURCHE vom 7. Juli auf Seite 1 - nicht auf den folgenden 15 Seiten - um eine Woche (als Nummer 26 vom 30. Juni) rückdatiert (1) wurde. Wir bitten um Entschuldigung!

Nochmals möchten wir darauf hinweisen, daß ab 14. Juli übers Wochenende unsere Telefonnummern geändert werden sollen: die Rufnummer 52 52 61 auf 512 52 61, die Nummer 52 51 85 auf512 51 85. Die Durchwahlklappen -so sie Ihnen bekannt sind - werden von der Änderung nicht berührt.

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