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Bayern frei?

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Der weltpolitisch versierte Österreicher weiß, daß Bayern mit der Wiedervereinigung Deutschlands seine eigenen Spezialprobleme hat. Es wird Euch vielleicht menschlich nicht so sehr anrühren, daß Bayern dann nur mehr ein Bundesland unter 16 ist und nur mehr elf von gut 75 Millio- nen Einwohner stellt.

Das heißt: Bayern bleibt zwar gleich groß, aber trotzdem schrumpfen wir an relativer Größe, Macht, Einfluß und Bedeutung. Als Schrumpfger- manen haben sich die Bayern aber noch nie geeignet.

Hinzu kommt, daß Bayern 1949 das Grundgesetz der Bundesrepublik als einziges Land abgelehnt hat, weil es nicht föderalistisch genug war. Zweitens befürchtete die Mehr- heit des Bayerischen Landtags, daß es beim Beitritt der fünf Länder aus der DDR noch weit sozialistischer würde.

Jetzt steht zwischen BRD und DDR eine zentrale Frage an. Sollen Sachsen, Thüringen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Mecklenburg einfachnach Artikel 23 Grundgesetz der Bundesrepublik beitreten und damit bei gleichbleibender BRD-Verfassung nur unseren Staat vergrößern?

Oder soll aus Bundestag, Volkskammer und Landtagen eine wie auch immer zusam- mengestellte verfassungsge- bende Versammlung einberu- fen werden, die dann mit einfa- cher Mehrheit aus den zwei Verfassungen eine neue dritte zusammenbastelt. Dieser Ver- fassungsentwurf müßte einer Volksabstimmung unterzogen werden und dann entstünde de facto durch einfache Mehrheit aus zwei Staaten ein dritter.

In diesem Falle wäre es völ- kerrechtlich umstritten, ob dieses Deutschland dann auto- matisch Rechtsnachfolger der BRD wird - etwa in der EG oder in der NATO und so wei- ter - oder auch Rechtsnachfol- ger der DDR. Oder ob der neue Staat wieder völlig über alle Bindungen und Verpflichtun- gen neu verhandeln müßte.

Die Bayerische Staatsregie- rung befürchtet, daß der Weg über eine neue Verfassung un- übersehbare Risiken und Ge- fahren mit sich bringt. Die ei- nen wollen nämlich möglichst alle sozialen Utopien in der Verfassung festschreiben, die anderen wollen einen volks- tümlichen Trachten-Föderalis- mus innerhalb eines dirigisti- schen Zentralstaates.

Für diesen Fall, daß eine neue Verfassung nicht mehr Föde- ralismus bringt, sondern zen- tralistischer und sozialistischer wird, gibt es bereits „weitrei- chende Überlegungen". Man kann nämlich sicher nach Arti- kel 23 Grundgesetz nicht nur in die Bundesrepublik ein-, son- dern auch austreten. Noch dazu, wo wir doch so viele Freunde in Österreich, Böhmen und Ungarn haben! Jedenfalls das, was wir an Preußen ver- tragen können, haben wir oh- nehin längst im Land.

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