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Bayern und Tirol

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Lange nach dem gigantischen A bschieds-Festival für die beiden 70jährigen Landeshauptleute, Eduard Wall-nöfer und Silvius Magnago, genauer gesagt nach dem viereinhalbstündigen Tiroler Landesfestzug, dröhnte mir noch die Marschmusik in den Ohren.

Als Bayer, der in Wien wie in Hamburg oder Berlin schon von der Mundart her häufig für einen Tiroler gehalten wird, macht man sich aber zu dieser Marschmusik so seine Gedanken. Erst recht, wenn im Festzug neben den Nord-, Ost- und ■ Südtiroler Schützenkompanien auch Kompanien der bayerischen Gebirgsschüt-zen mitmarschieren.

Ohne die mitgetragenen Taferln hätte außer Tirolern und Oberbayern wohl kaum ein Zuschauer unterscheiden können, wo die Tiroler Schützen aufhören und die bayerischen anfangen.

Von einer ergreifenden Geste der Versöhnung zu reden, wäre ein bißchen lächerlich: Es ist immerhin schon 175 Jahre her, daß die Trachtenschützen und Salvenkracher von heute noch scharf aufeinander geschossen haben.

Tirol hat ja ursprünglich einmal zu Bayern gehört — wie ein großer Teil des heutigen Osterreich.,Dann hat es viele Versuche der bayerischen Wittelsbacher gegeben, Tirol wieder mit Bayern zu vereinigen. Das ist immer schon nach wenigen Jahren wieder am Widerstand der Tiroler Bauern gescheitert. Ebenso wie es in Bayern blutige Volksaufstände gegeben hat, wenn die Habsburger versuchten, Bayern unter ihre Herrschaft zu bringen.

Besonders tragisch, aber auch ein wenig Ironie der Geschichte war der Konflikt um 1809. Denn nicht gehorchend dem eigenen Triebe, war Bayern zum Verbündeten Napoleons geworden und mußte Tirol besetzen. Dabei waren die bayerischen Schützen nicht weniger reaktionär als die Tiroler: Beide waren gegen die Freiheitsparolen der Französischen Revolution ebenso mißtrauisch wie ablehnend gegen die Ideen der josephinischen Aufklärung, die im Königreich Bayern konsequent und sturheil fortgeführt wurden.

Geistig und religiös standen Bayern und Tiroler einander viel näher als den jeweiligen Kaiserlichen aus Paris oder Wien. Trotzdem mußten sie sich ,Jür Gott, Kaiser (bzw. König) und Vaterland“ gegenseitig abschlachten.

Kann man trotzdem aus dem Gedenken an so alte Konflikte für heute noch was lernen?Ich glaube schon. Die Geschichte der Nachbarn Bayern und Tirol hat eines gezeigt: Sie haben sich immer am besten verstanden, wenn sie getrennt waren. Jeder Anschlußversuch hat dagegen blutig geendet.

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