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Bayern vorn!

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Wer bisher aus alten Ressentiments die aussagekräftige Wahlkampfparole der CSU — ,ßayern vorn“—belächelt haben sollte, ist jetzt beschämt. Mit dem alkoholfreien Bier, das erstmals sogar auf dem Münchner Oktoberfest ausgeschenkt wurde, ist uns aber der ganz große technologische Durchbruch gelungen: Bayerns Sprung in das „-lose Freizeitalter“.

Gut, lose Reden haben wir immer schon gern geführt. Heimatlose aus Deutschlands Norden strömten mehr als erwünscht nach Bayern, und schaffnerlos fahren unsere weiß-blauen Straßenbahnen schon lange.

An die sauerstofffreie Luft in Bars und Discos hat sich unsere Jugend längst gewöhnt. Worauf jetzt viele hoffen, ist noch die Erfindung der tonlosen Musik.

Aber immerhin: das alkoholfreie Bier haben wir bereits, und es ist auf dem freien Markt im Vormarsch. Sein geistiger Motor ist eindeutig die Lust am Autofahren. Diese stark erotische Beziehung des modernen Men- . sehen zu seinem eigenen Auto hat schon das bleifreie Benzin hervorgebracht. Aber die beiden Erfindungen sind nur bedingt vergleichbar. Das Benzin haben wir nämlich nie des Bleis wegen geschaffen und gebraucht.

Das Bier war in Bayern zwar seit jeher kein Rauschgift, sondern Volksnahrungsmittel. Aber den Stimmung bringenden Alkohol hat man dabei durchaus bewußt erzeugt — und den Rausch dann billigend in Kauf genommen.

Allerdings werden jetzt auch die moralischen Erkenntnisse differenzierter. An der Behauptung, wir Bayern kämen vom Alkohol nicht los, war ja nur richtig, daß wir vom Bier nicht losgekommen sind. Wer vom Alkohol nicht los kam — das war das Bier. Bis jetzt.

Bald wird sich alles ändern. Vorerst wird das alkoholfreie Bier ja noch an Leute ausgeschenkt, die es aus gesundheitlichen Gründen oder aus Autofahrer-Disziplin absichtlich bestellt haben. Schon aber laufen Forschung sprojekte mit dem Versuch, auch anderen Oktoberfestgästen alkoholfreies Bier statt normales einzuschenken.

Das Experiment soll zeigen: a) ob sie den Unterschied überhaupt merken, b) wann sie auch ohne Alkohol im Glauben an das normale Bier ihren üblichen Rausch kriegen.

Wenn die Versuchspersonen auch nach der zweiten alkoholfreien Maß zu grölen beginnen und nach der vierten nur noch schwankend gehen können, dann ist bewiesen, daß der Rausch auch nur mit der Macht der Gewohnheit erzeugt werden kann.

Dann kann aber Österreich auch nicht mehr länger abseits stehen — als technologisches Schlußlicht. Dann steht nämlich Euch auch der alkoholfreie Wein ins Haus.

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