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Bayrischer Herkules

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Unter dem Motto „Arbeit für Deutschland“ hat die CSU kürzlich einen Parteitag abgehalten. Sämtliche Spitzenvertreter der CDU waren ebenfalls nach München gekommen, um hier mit Präsenz und Wort die Geschlossenheit der Union zu demonstrieren. Helmut Kohl erhielt für sein Grundsatzreferat — bei dessen Beginn er sich als Sohn eines bayrischen Offiziers vorgestellt hatte — langen, wenn auch nicht so lauten Beifall, wie der CSU-Vorsitzende am Tag zuvor. Helmut Schmidt warf Kohl vor, daß ihm „der Weg vom großen Macher zum großen Schuldenmacher klar vorgezeichnet“ sei. Der Fraktionsvorsitzende der Bundestagsfraktion, Carstens, der hier mit Temperament die latente Preußen-Liebe der Bayern gut zu aktivieren vermochte, bezichtigte den Bundeskanzler, daß der einzige Mut, den dieser besäße, „der Mut zu fortgesetzter Täuschung unseres Landes“ sei.

Franz Josef Strauß, dessen 60. Geburtstag bis zu seinem erneuten Flug nach China gefeiert wurde, stellte sich den Seinen zumindest indirekt als kommender Finanzminister einer Regierung Kohl vor. In zwei längeren Reden — eine auf dem Parteitag und die andere auf dem dichtgefüllten Münchner Marienplatz —, die fast ausschließlich Wirtschaftsthemen gewidmet waren, versuchte er, seinen Zuhörern klarzumachen, daß das Ausmaß der bestehenden Krise noch gar nicht in das Bewußtsein der Massen eingedrungen sei. Das Netz sozialer Sicherung könne in der bisherigen Form nicht mehr gehalten werden. Strauß verwies auch auf eine Reihe von Alternativen, die er der Regie-runig früher vorgetragen hat, Steuererhöhungen, wie sie jetzt errötert würden, kämen „unter diesen Umständen und für diesen Zweck“ nicht in Frage. Vielmehr müsse ein Programm zur Ertragsförderung der Wirtschaft vorgelegt werden. Ziel von heute könne es nur sein, das Wachstum durch privatwirtschaftliche Initiativen wieder anzuregen, um auf diese Weise mehr Arbeitsplätze zu schaffen. Bei den kommenden Bundestagswahlen gehe es um die große Wende, die herbeigeführt werden müsse, um den Kontinuitätsbruch des Jahres 1969 und der folgenden Jahre zu sanieren. Sozialistische Verschwendung habe das Geld verplempert, und auch die beruhigenden Aussagen für das nächste Jahr seien mit Sicherheit falsch. Da die Regierung aber aus Angst vor den Linken in den eigenen Reihen nicht Einschneidendes unternehmen könne, bestehe die einzige Möglichkeit für einen Wandel in einer völligen Änderung der Politik.

Podiumsdiskussionen zu den Themen „Sicherung der Zukunft“, „Soziale Marktwirtschaft“ und „Freiheit“, die der Schulung in Wahlkampfthemen dienen sollten, litten darunter, daß zwei der drei geladenen Professoren in ihren Hauptreferaten erstaunlich weit von wissenschaftlicher Sorgfalt abwichen und mehr Halbwahrheiten als hieb- und stichfeste Argumente lieferten. So, wenn der Karlsruher Prof. Steinbruch, der noch vor sechs Jahren als Gastreferent auf einem Parteitag der bayerischen SPD gesprochen hatte, es als wichtigste Einsicht unserer Zeit definierte, daß das Individuum außerstande sei, „aus sich heraus annehmbare Formen menschlicher Zusammenarbeit zu entwickeln“, oder wenn der ehemalige Jungsozialist und jetzige Politologie-Professor Lothar Bossle, im Inidikativ feststellte: „Wir haben das Faktum zu verzeichnen, daß in Moskau schon ein deutscher Bundeskanzler zum Rücktritt veranlaßt wurde.“

Die zahlreich vorliegenden Sachanträge wurden meist ohne Diskussion zur Bearbeitung an die parlamentarischen Gremien überwiesen. Regere Debatten verursachte der mit knapper Mehrheit gebilligte Antrag, künftig auch die Funktionäre und gemeinnützige Organisationen

— insbesondere die Gewerkschaften

— vermehrt zu Steuern heranzuziehen.

Der Parteitag der CSU stand im Zeichen des Mannes, dessen Identifikation mit seiner Partei nahezu vollkommen ist. Franz Heubl, der stellvertretende Landesvorsitzende, erläuterte dies in seiner Laudatio auf das Geburtstagskind, als er zu Strauß sagte: „Dein Platz ist nur in der CSV, die Du bist.“ Und bei der gleichen Gelegenheit, als am Sonntag bei strahlendem Himmel 2000 Prominente im Apothekerhof der Residenz bei Bier und Weißwürsten zusammengekommen waren, um den Geburtstag des „schwarzweiß-blauen Bismarck“, des „großen Kurfürsten aus Bayern“, zu feiern, schuf der wortgewandte Heubl noch einen weiteren, viel beklatschten Beinamen: „Herkules der deutschen Politik.“ Ob er als solcher zum „Ausmisten“ Gelegenheit haben wird, können in spätestens 13 Monaten die deutschen Wähler entscheiden.

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