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Beamtenreformer

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Ein neuer Staatssekretär im Bundeskanzleramt tritt an. Er ist bereits der siebente, den sich die beiden Bundeskanzler Klaus und Kreisky seit 1966 zu ihrer Unterstützung holten, während in der Koalitionsära vorher Staatssekretäre nur so etwas wie politische „Aufpasser“ gewesen sind, die wechselweise zum Austarieren der beiden großen „Lager“ eingesetzt wurden.

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Seinerzeit war der erste dieser Staatssekretäre im Bundeskanzleramt, nämlich Karl Gruber, für den Sachbereich „Verwaltungsreform“ ausdrücklich bestellt worden. Der letzte ist nunmehr zur Entlastung des Kanzlers bei Personalkompetenzen vorgesehen. Dazwischen liegt eine Periode des Jonglierens mit Absichtserklärungen, mit denen von Dienstrechtangelegenheiten über Rationalisierung der Bundesverwaltung bis zur Rechtsvereinheitlichung alle Regierungserklärungen voll sind. So findet der neue Staatssekretär eine volle Lade vor, wenn er seinen Dienst am Ballhausplatz antritt.

Tatsächlich ist die Bundesverwaltung — von welcher Seite immer man sie ansieht — in den letzten Jahren sowohl unüberschaubarer, als auch komplizierter geworden; vor allem aber hat die Politisierung des öffentlichen Lebens seit 1966 vor der Verwaltung nicht haltgemacht.

Das Auseinanderklaffen von Verfassungsnorm, Dienstrecht und politischer Realität ist deutlicher denn je erkennbar. Die Bundesbeamten ihrerseits stehen den Phänomenen allerdings weitgehend als Objekte gegenüber, weil sich die Politiker über alles andere früher gewagt haben als an eine echte Neustrukturie-rung der öffentlichen Verwaltungsapparatur — ohne aber je zu zögern, eben dieser Apparatur ständig neue Funktionen und Aufgaben zuzuordnen.

Die „Bürokratie“ hält in Österreich eine besondere Position, die ihr aus der Geschichte zugewachsen ist: als nicht zu regierendes, sondern nur zu verwaltendes Imperium (so Kaiser Franz Joseph) war in Österreich die Beamtenschaft der Garant übernationaler Kooperation; durch die Aufrechterhaltung des Juristenmonopols bis in unsere Tage hat die Rechtsstaatlichkeit einen besonderen, ver-fassungsorientierten Klang; von der „Loyalität“ der Beamten gegenüber dem Minister profitierten fast alle Regimes seit 1918.

Das führte freilich zur Herausbildung eines erratischen Blockes, der als „Staat im Staat“ Eliten und Hierarchien kultivierte, sich gegen Außeneinflüsse zur Wehr zu setzen verstand und nicht selten den Vorwurf zu hören bekam, nur noch der Verwalter einer sklerotischen politischen Kultur zu sein, die sich von der gesellschaftlichen Wirklichkeit und den Bedürfnissen der Öffentlichkeit entfernt. Tatsächlich ist die Flexibilität des bürokratischen Apparates nicht sonderlich groß; tatsächlich tendiert die österreichische Ministe-rialbürokratie dazu, Entwicklungen im Gesellschaftspolitischen erst dann wahrzunehmen, wenn ihr der Auftrag zu einem Gesetzentwurf zugeht.

Dringlich ist also tatsächlich eine Reform — eine Reform, die freilich das Kind nicht mit dem Bad ausschüttet. Die demnach klarstellt, daß eine effektive Verwaltungsreform in Österreich vor allem eine Verfassungsreform sein müßte, die die Spannung zwischen Realität und Norm vermindert.

Wahrscheinlich ist der Weg über ein Ministeriengesetz zu schmal, um in der Sache weiterzukommen. Wenngleich klar ist, daß Beraterstäbe, Experten in Ministerbüros und politische Planungs-„Beamte“ die Effektivität unserer Bürokratie heben würden, ist doch zu bedenken, daß hier nicht zuletzt ein Grundsatz der Verfassung (nämlich Art. 20 BVG) arg strapaziert wird — und damit das Vertrauen in die Gesetzmäßigkeit leiden könnte.

Das alles wird der neue Staatssekretär zu bedenken haben. Er wird gemessen werden an der Fähigkeit, der Verwaltungsreform neue, wirksame Anstöße zu geben. Er wird aber auch danach beurteilt werden, was er in der Praxis wirklich tut. Schon schwebt der Vorwurf im Raum, daß er so etwas wie ein Superpersonal-chef der Regierungspartei sein werde, der alles das, was an Kanzler und SPÖ-Obmann in Personalangelegenheiten herangetragen wird, vorentscheidet: einmal die Ernennung eines Sektionschefs, dann die Ernennung eines Mitglieds des Verwaltungsgerichtshofes, dann die Besetzung eines Vorstandspostens in der Verstaatlichten Industrie. Eine solche Vermengung öffentlicher und parteipolitischer Agenden wäre jedenfalls in der Sache gefährlich und würde nur weiter zur Verschlechterung des sowieso nebeligen innenpolitischen Klimas beitragen.

Daß jedenfalls schon der Entwurf eines Ausschreibungsgesetzes und der Ratifikation des Dienstrechtes in den Laden des Bundeskanzleramtes warten, wird ja als erstes den Staatssekretär herausfordern; daß er den Fragenkomplex als Gewerkschaftsfunktionär kennt, ist ein Vorteil. Ob und wie er den inneren Widerspruch überwindet, sowohl Interessenwahrer der Arbeitnehmer des Bundes wie gleichzeitig Inberes-senwahrer der Allgemeinheit auch gegen die Beamten zu sein, wird sich bald herausstellen. Schon deshalb, weil die Opposition alle Scheinwerfer auf den Neuling im Kabinett richten wird.

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