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Bedenken

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Wenn man die Ebene der Lehrdifferenzen betrachtet, ist zuzugeben, daß im Bereich der Chri-stologie und im Verständnis der Unfehlbarkeit des Lehramtes (nicht nur des Papstes!) Differenzen zwischen dem Glauben der Kirche und den Positionen von Hans Küng bestehen. Diese Thesen wurden im deutschen Sprachraum einer eingehenden wissenschaftlichen Diskussion unterzogen(LiteraturbeimAutor).

Wer zudem die Liste der Mitarbeiter an diesen Sammelbänden ansieht und dabei den Namen von Hans Urs von Balthasar, Yves Congar, Alois Grillmeier, Walter Kasper, Jacob Kremer, Karl Lehmann, Karl Rahner, Joseph Ratzinger, Otto Semmelroth u. a. begegnet, wird die Uberzeugung gewinnen, daß die bedeutenden Theologen gerade des deutschen Sprachraumes nicht auf der Linie Küngs stehen.

Nun ging es aber in dieser Affäre nicht nur um eine reine wissenschaftliche Auseinandersetzung, sondern um ein Verfahren, das die Glaubenskongregation durchgeführt hat. Es ist erwiesen, daß sich Küng nie einem „Colo-quium" bei der Glaubenskongregation gestellt hat.

Das Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz hat anläßlich der Veröffentlichung des Entzugs der kirchlichen Lehrbefugnis in einer umfangreichen Dokumentation den gesamten Schriftverkehr zwischen der Glaubenskongregation bzw. der Deutschen Bischofskonferenz und Prof. Küng veröffentlicht. Wenn Küng nun von einer „Nacht- und Nebelaktion" spricht, wird dies den Tatsachen nicht gerecht. Wenn sich eine römische Kongregation zwölf Jahre lang bemüht, mit Prof. Küng eine Verhandlungsbasis zu finden, kann man nicht mehr von einer Uberraschungs-aktion sprechen.

Mit der grundsätzlichen Berechtigung einer Uberprüfung von Thesen eines Theologen durch die Kirchenleitung ist die Frage nocht nicht beantwortet, ob, wann und in welcher Form dies geschehen soll. Damit bin ich bei der zweiten Ebene des Falles Küng angelangt, bei der Frage nach der Sinnhaftigkeit und Opportunität dieser jetzt getroffenen Maßnahme.

Ich setze voraus, daß die Ent-

scheidung „in favorem fidei" geschehen ist, um den Glauben vor Fehlinterpretaionen zu bewahren.

Die strittigen Lehrpunkte sind bei der großen Zahl der Gläubigen weitgehend unbekannt geblieben. Außerdem weiß ich aus vielen Gesprächen, daß für nicht wenige Menschen gerade das Buch „Christ sein" einen sehr positiven Anstoß bedeutet hat, sich dem eigenenn Christsein wieder zuzuwenden.

Dieser Glaubensanstoß ist durch die getroffenen Maßnahmen sicher beeinträchtigt, wenn nicht zerstört. Ich bezweifle, daß der Glaube der Kirche durch Hans Küng in einem Maß bedroht war, daß sich als einziges Mittel die öffentliche Verurteilung aufdrängte.

Meine Bedenken gehen aber über den Fall Küng hinaus. Die Kirche hat im 20. Jahrhundert schon einige Male eine Politik des Verurteilens von Theologen praktiziert. Die unselige Zeit der Bekämpfung des „Modernismus" zu Beginn unseres Jahrhunderts hat einen Problemrückstau bewirkt, an dessen unheilvollen Folgen die Kirche heute noch leidet.

Auch die Maßregelungen im Gefolge der Enzyklika Pius XII. „Humani generis" (1950) haben integre Theologen getroffen, die heute anerkannte Autoritäten darstellen (wie Henri de Lubac, Yves Congar u. a.). Es gibt auch heute Gruppen und Vereinigungen, die den Schutz des „wahren Glaubens" auf ihr Banner geschrieben haben, die aber dieses Ziel durch Denunzierungen und Intrigen zu erreichen suchen.

Johannes XXIII. hat in seiner Ansprache zur Eröffnung des 2. Vatikanischen Konzils am 11. Oktober 1962 davon gesprochen, daß die Kirche früher Irrlehren mit großer Strenge verurteilt habe. „Heute dagegen", sagte der Papst, „möchte die Braut Christi lieber das Heilmittel der Barmherzigkeit anwenden, als die Waffe der Strenge erheben."

Ich hoffe trotz allem, daß diese Richtung weiterhin in der Kirche gilt!

(Der Autor ist außerordentlicher Professor am Institut für Dogmatische Theologie und Dogmengeschichte der Katholischtheologischen Fakultät der Universität Wien.)

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