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Bedenklich ahnungslos

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Junge Amerikaner zerbrechen sich kaum den Kopf über die „Watch-Iist”-Ent-scheidung ihres Landes. Sie übernehmen undifferenziert die Meinung der heimischen Presse.

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Junge Amerikaner zerbrechen sich kaum den Kopf über die „Watch-Iist”-Ent-scheidung ihres Landes. Sie übernehmen undifferenziert die Meinung der heimischen Presse.

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Als Gottfried Heindl in den späten sechziger Jahren Chef des österreichischen Institutes in New York wurde, ließ er Umfragen über das Österreich-Image in den USA durchführen. Seine Schlußfolgerungen damals: Die Amerikaner betrachten Österreich als das ,,5-M-Land”: Mountains, Music, Mozart, Metternich, Maria Theresa”, Die Amerikaner wußten größtenteils nur über einige große Gestalten der österreichischen Geschichte und die reizvolle Landschaft Bescheid: vom zeitgenössischen Österreich dagegen wußten sie kaum etwas. Hat sich dies nun mit der „Affäre Waldheim” geändert?

Die Neugierde über einen möglichen Image-Wechsel hat mich veranlaßt, von Studenten der University of New Orleans in der Innsbrucker Sommer-Schule einen kleinen Fragebogen ausfüllen zu lassen. Gut ein Fünftel, nämlieh 48 der 223 Studenten, hat auch mitgemacht.

Die Studenten kommen zum Großteil aus der oberen Mittelklasse des Südens. Sie studieren an bekannten Universitäten wie Florida, Tulane und Texas. Darunter sind aber auch zehn Studenten der weltweit angesehenen Universität von Kalifornien in Berkely.

Die Ergebnisse dieser Befragung sindzwar einigermaßen frappierend, für einen Amerikakenner aber kaum überraschend. Der Großteil der Befragten (41) wußte auf die Frage „Wer ist Kurt Waldheim?”, daß er Präsident von Österreich ist. Einige aber schrieben ,.Nazi, Kriegsverbrecher und Präsident”. Hier zeigt die undifferenzierte Behandlung durch die amerikanische Presse schon bedenkliche Ergebnisse. Auf die Frage „Was ist die Watch-list?” konnten nur 26 Studenten eine halbwegs befriedigende Antwort geben. Beinahe die Hälfte hatte kaum oder keine Ahnung davon. Ein Student meinte, es sei eine „Liste von potentiell subversiven Elementen”; ein anderer glaubte,es sei eine „Liste der Juden, die nach Nazi-Kriegsverbrechern sucht”.

Die Frage „Was wissen Sie vom Fall Bartesch?” konnte nur ein Student richtig beantworten! Offensichtlich wurde weder Ausweisung noch die österreichische. Entrüstung darüber von der amerikanischen Presse registriert. Ein Befragter meinte gar, dies sein „ein Fall in Frankreich, in dem Bartesch für Verbrechen des Zweiten Weltkriegs verurteüt wurde”. Er war übrigens nicht der einzige, der Bartesch mit Barbie verwechselte.

Interessante Antworten gab es auf die Frage „Wie beeinflußt die Waldheim-Affäre die amerikanisch-österreichischen Beziehungen?”. Ein Student schrieb: „Er war ein Nazi-Offizier, und die USA haben sich entschieden, ihn nicht einreisen zu lassen.” Ein anderer meinte: „Waldheim wird verdächtigt, bei der Deportation von Juden dabeigewesen zu sein... Er war ein österreichischer Nazi.”

Interessant die folgende Antwort: „Waldheim spielte eine wichtige Rolle und arbeitete für Hitler im Zweiten Weltkrieg. Er behauptet, er hätte nur seinen Job getan, die USA aber meinen, er sei kein geeigneter Repräsentant für ein Land.” „Die amerikanischen Juden können sich mit der Idee nicht anfreunden, daß Österreich einen Nazi als Präsidenten hat”; und „Der Einfluß der reichen jüdischen Bevölkerung in den Staaten führte Edwin Meese zur Entscheidung, Waldheim die Einreise in die USA zu verweigern.” Auch folgende Antwort gab es: „Ich denke, es hat was damit zu tun, daß Österreich von den Russen Waffen gekauft hat. Das hat uns erzürnt und deshalb ließen wir den Präsidenten nicht einreisen!”

Diese Antworten stimmen zum Teil bedenklich. Hat sich unter den jüngeren Amerikanern schon die Gleichung breitgemacht, „Waldheim = Nazi”? Die notorische Unbekümmertheit der amerikanischen Verwendung des Begriffes ,.Nazi” geht aus dieser Umfrage ganz klar hervor. Kaum ein Student fragt sich, ob dem österreichischen Bundespräsidenten wirklich Kriegsverbrechen nachgewiesen werden können. Die „Watch-list”-Entscheidung scheint bei vielen Amerikanern den österreichischen Präsidenten schon zum Kriegsverbrecher zu stempeln. Diese Perzeption wird sich nur mehr schwer korrigieren lassen.

Nach persönlichen Kommentaren gefragt, meint ein Student: „Vergeben und vergessen”. Einige stellen dezidiert fest, in Amerika wäre er nach solchen Anschuldigungen nie gewählt worden. Ein anderer wiederum schrieb: „Wenn er der angeblichen Verbrechen schuldig befunden wird, sollte er wie Barbie bestraft werden.” Eine „Zynikerin” hingegen meinte, die Reagan-Regierung versuche von ihren eigenen Problemen abzulenken.

Besser informiert ist offensichtlich der folgende Kommentator: „Die Österreicher scheinen zu glauben, sie seien keine willigen Partizipanten Nazi-Deutschlands gewesen. Ich habe immer schon geglaubt, sie seien ziemlich willig gewesen („pretty Willing”). Ich glaube, die Waldheim-Affäre exemplifiziert diese unterschiedlichen Meinungen.” Die Palette der Meinungsvielfalt scheint sich also mit der österreichischen zu dek-ken.

Welche Schlußfolgerungen lassen sich aus dieser kleinen Umfrage ziehen?

• Der „gewöhnliche” Amerikaner in der Provinz scheint außer der „Watch-list”-Entscheidung -und auch hier ist das Wissen sehr oberflächlich — wenig von den Kontroversen in den vergangenen Monaten mitgekriegt zu haben.

• Die Aufmerksamkeit der breiten amerikanischen Öffentlichkeit scheint sich in der Tat auf die Person Waldheims zu konzentrieren, der für viele Amerikaner ein „Nazi” ist (wenige dürften sich über die Beweise seiner angeblichen „Kriegsverbrechen” den Kopf zerbrechen — die Frage also, die die Österreicher hauptsächlich bewegt). Dieses Image wird sich nur mehr schwer korrigieren lassen.

• Das traditionelle österreich-Büd scheint in der amerikanischen Provinz noch nicht angeschlagen zu sein. Es wird tatsächlich zwischen dem Präsidenten und dem Land, das er repräsentiert, unterschieden. Wir sind also noch nicht zum „I-N Image” verdammt.

Man sollte sich aber bei den offiziellen österreichischen Stellen nicht auf die amerikanische Ignoranz verlassen, die in diesem Falle unserem Land zugute kommt. In der Zukunft muß viel aktiver an einem differenzierten Österreichbild bei den Amerikanern gearbeitet werden. Vielfache Diskussionen mit den Studenten in Innsbruck zeigen, daß die Amerikaner sehr wohl wissensbegierig nicht nur über Österreichs Vergangenheit, sondern auch Gegenwart sind.

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