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Digital In Arbeit

Befur sorgung und Vorsorge

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Was wollen die Parteien? Womit darf der Wähler rechnen, wenn er seine Stimme für eine bestimmte Liste abgibt? Eine Kurzserie als Wahlservice für FURCHE-Leser.

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Was wollen die Parteien? Womit darf der Wähler rechnen, wenn er seine Stimme für eine bestimmte Liste abgibt? Eine Kurzserie als Wahlservice für FURCHE-Leser.

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F. Meissner-Blau, Grüne

Mündige Bürger

Es paßt nicht mehr in die heutige Zeit, daß Sicherungssysteme wie die Arbeitslosen- oder Pensionsversicherung nach unten so durchlässig sind, daß immer mehr Menschen in das Heer der Sozialhilfeempfänger hineinrutschen. Die großen Sicherungssysteme sollen deshalb ein einheitliches Minimum für alle garantieren, die wegen fehlender Leistungseinkommen darauf angewiesen sind.

Es paßt nicht mehr in die heutige Zeit, daß die sozialen Sicherungssysteme, insbesondere die Pensionsversicherung, nur das als Leistung anerkennen, was als Lohn-Arbeit verrichtet wird. Das benachteiligt auch in Zukunft insbesondere die Frauen, die immer noch den größten Teil der „anderen Arbeit“ in Haushalten, bei der Kindererziehung, der Altenbetreuung leisten müssen. Diese Leistungen verdienen genauso Anerkennung wie andere auch.

Es paßt nicht mehr in die heutige Zeit, wenn man die Alten, die nicht mehr arbeiten sollen, nur zur Last stempelt Anstatt mit Blick auf die Finanzkrise über eine Erhöhung der Altersgrenzen nachzudenken, sollte mehr über die Möglichkeiten des flexiblen Ubergangs in den Ruhestand nachgedacht werden.

Die Bürger sind mündiger geworden. Deshalb muß es mehr Möglichkeiten für den/die einzelne/n geben, in Sachen Risiko und Sicherheit selbst mitzuentscheiden. Warum nicht zum Beispiel die Auszahlung einer größeren Summe der Arbeitslosenversicherung als Existenzgründungsdarlehen? Warum nicht über niedrigere Beiträge in der Krankenversicherung und mehr Eigenvorsorge im Umgang mit den kleinen Gesundheitsrisiken nachdenken?

All dies aber, und das ist entscheidend, auf der Basis einer garantierten sozialen Mindestsicherung.

Die Autorin ist Spitzenkandidatin der Liste „Die grüne Alternative (Grüne)“.

H. Partik-Pable, FPÖ

Freiwilligkeit

Soziale Absicherung ist eine wesentliche Aufgabe freiheitlicher Gesellschaftspolitik. Liberale Sozialpolitik zielt auf soziale Sicherheit unter Wahrung und Stärkung der persönlichen Freiheit ab.

Nach freiheitlicher Ansicht hat die staatliche Pensionsversicherung unseren älteren Mitbürgern eine ausreichende Grundversorgung zu garantieren, darüberlie-gende Pensionsansprüche sind streng nach dem System der Beitragsäquivalenz zu bemessen: Höhere Beiträge ist gleich höhere Leistung.

Eine darüber hinausgehende Alterssicherung bleibt in einer freiheitlichen Gesellschaftsordnung der Privatinitiative und damit der Leistungsfähigkeit und

-Willigkeit des einzelnen überlassen. In welcher Form er für sein Alter vorsorgt, durch Vermögensbildung, durch eine private Versicherung oder etwa auch durch eine - jetzt schon mögliche - Höherversicherung innerhalb der staatlichen Pensionsversicherung, soll der einzelne selbst entscheiden.

Auf individuelle Bedürfnisse abgestimmte Eigenvorsorge ist vom Staat zu fördern. Das freiheitliche Steuerreformkonzept sieht daher bei einer sonst radikalen Durchforstung von Ausnahmen und Privilegien die Begünstigung der Eigenvorsorge beziehungsweise der Eigentumsbildung ausdrücklich vor.

Die Autorin ist FPÖ-Nationalratsabgeord-nete.

Edgar Schranz, SPÖ

Unsozial

Der Ersatz der Sozialversicherung durch eine private Eigenvorsorge würde die Sozialpolitik ins vorige Jahrhundert zurückwerfen. Denn für die große Mehrzahl der Österreicher kommt die sogenannte Eigenvorsorge nicht in Frage, weil sie sich eine derartige Privatversicherung gar nicht leisten können. Vorteile hätten nur die Privatversicherungen, die ja deswegen auch so viel Reklame dafür machen, und Bezieher hoher Einkommen durch eine unsoziale Steuerabsetzung. Zahlen müßten das alles die Steuerzahler, und zwar in viel stärkerem Ausmaß als für die gesetzliche Pensionsversicherung.

Die Schaffung zusätzlicher Steuerbegünstigungen steht überdies völlig im Gegensatz zu den Plänen einer sozialen Steuerreform. Der Staatshaushalt würde nicht entlastet werden, wie es unter anderem durch die Reform der Pensionsversicherung geschieht, sondern das Budget des Bundes würde viel stärker belastet werden.

Lediglich eine dünne Schicht von Beziehern hoher Einkommen hätte überdies die Möglichkeit, die Mittel für eine Privatversicherung aufzubringen. Nur diese Gruppe wäre also in der Lage, Steuerbegünstigungen überhaupt in Anspruch zu nehmen. Das wäre daher im Hinblick auf die Masse der wegen ihres niedrigen Einkommens davon Ausgeschlossenen eine ausgesprochen unsoziale Politik.

Eine derartige „Eigenvorsorge“ im Interesse weniger Bezieher hoher Einkommen und weitgehend zu Lasten der Allgemeinheit muß daher von allen sozial Denkenden entschieden abgelehnt werden.

Gegen eine Eigenvorsorge im Rahmen der Privatversicherung ist nichts einzuwenden, jedoch ohne zusätzliche Steuerbegünstigung, die ja zu Lasten der Allgemeinheit geht.

Der Autor ist SPÖ-Nationalratsabgeord-neter.

Günter Stummvoll, ÖVP

Mehr Spielraum

Die sich -ständig verschlechternde Relation von Erwerbstätigen zu Pensionisten und die immer problematischer werdende Finanzierung unseres Pensionssystems macht ein Neuüberdenken des österreichischen Sozialsystems notwendig.

In erster Linie geht es uns darum, durch eine leistungsorientierte Wirtschaftspolitik die Finanzierung der derzeitigen Pensionen zu sichern. Mittel- und langfristig sind aber weitere Überlegungen anzustellen, wie der einzelne Bürger wieder mehr Aufgaben in eigener Verantwortung, auch in der Sozialpolitik, übernehmen kann.

Durch eine umfassende Steuerreform und eine Absage an die Belastungspolitik der letzten Jahre muß dafür gesorgt werden, daß dem Bürger in Österreich wieder mehr Spielraum bleibt, über sein Einkommen selbständig zu verfügen und sich für verschiedene Formen der Zukunfts- und Eigenvorsorge entscheiden zu können. Als Ergänzung zur sozialen Grundabsicherung sollen daher private Vorsorgemodelle gefördert werden.

Die ÖVP will die private Eigenvorsorge auf betrieblicher und innerbetrieblicher Ebene vor allem durch steuerliche Anreize ermöglichen. Im Rahmen des Einkommensteuergesetzes sollen etwa Unternehmen die Möglichkeit erhalten, für ihre Mitarbeiter Programme der betrieblichen Vorsorge zu verwirklichen. Analog muß dies auch für selbständig Erwerbstätige gelten.

Das von der ÖVP vorgelegte Steuerkonzept sieht darüberhinaus für nachgewiesene Eigenvorsorge einen Steuerfreibetrag in der Höhe von 30.000 Schilling vor, der sich für den Alleinerhalter auf 60.000 Schilling erhöht.

Der Autor ist ÖVP-Nationalratsabgeord-neter.

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